Mittwoch, 29. Juli 2009

Kommunismus ist sexy oder Madonna als Leningrad Cowgirl

He, das ist ´ne Meldung: Die Popsängerin Madonna gibt am 2. August ein Konzert auf dem Platz vor dem historischen Winterpalais in St. Petersburg, und nun haben die Erben des historischen Materialismus dem Material Girl gleich ein paar Verhaltens-Maßregeln ins Libretto geschrieben.

"Madonna! Du singst in Rußland auf dem Palastplatz. Du solltest dir deiner Verantwortung bewußt sein", heißt es laut Spiegel in einem offenen Brief, der auf der Internet-Seite des KP-Verbandes der zweitgrößten russischen Stadt veröffentlicht wurde. "Man muß nicht mit dem Po wackeln oder frivole Kleidung tragen“.

Ein frommer Wunsch.

Sehr realistisch.

Realsozialistisch sozusagen.

Und Petrograd äußert noch ein zweites Begehr : Frau Ciccone solle doch bitteschön ein Revolutionslied oder die Internationale ins Repertoire aufnehmen.

Wieso so schüchtern, Genossen ? Wenn ihr euch nicht allzu linkisch anstellt, dann macht die Genossin Popqueen locker beides. Ihr müßt ihr nur den richtigen Text zufaxen.

Zum Beispiel den „Linken Marsch“ von Genosse Majakowski.

Am besten mit den Noten von Genosse Eisler.

Es muß ja nicht die erste Strophe sein, die ist leicht blutrünstig:

Entrollt euren Marsch, Burschen von Bord!
Dem Zank und Geflunker jetzt – Pause.
Still, ihr Redner!
Du
hast das Wort,
rede, Genosse Mauser!
Brecht das Gesetz aus Adams Zeiten.
Gaul Geschichte, du hinkst ...
Woll'n den Schinder zu Schanden reiten.
Links!
Links!
Links!

Das folgende wäre unserer neuen Piratenzeit aber doch wohl zeitgemäß:

He, Blaublusen !
Nach vorn, greift an !
Stürmt Ozeane !
Wurden im Hafen eurem Kahn
rostig die Panzertürme ?!
Laßt

den britischen Löwen brüllen –
kronefletschende Sphinx.
Keiner zwingt die Kommune zu Willen.
Links !
Links !
Links!

Dienstag, 28. Juli 2009

Wir sind die Kraft ! Wir hämmern jung den Staat !

Ein Dämpfer kam von Bieberich: - stolz war die Furche, die er zog!
Er qualmt' und räderte zu Thal, daß rechts und links die Brandung flog!
Von Wimpeln und von Flaggen voll, schoß er hinab keck und erfreut:
Den König, der in Preußen herrscht, nach seiner
Rheinburg trug er heut!

Die Sonne schien wie lauter Gold! Auftauchte schimmernd Stadt um Stadt!
Der Rhein war wie ein Spiegel schier, und das Verdeck war blank und glatt!
Die Dielen blitzten frisch gebohnt, und auf den schmalen her und hin
Vergnügten Auges wandelten der König und die Königin!

Nach allen Seiten schaut' umher und winkte das erhabne Paar;
Des Rheingau's Reben grüßten sie und auch dein
Nußlaub, Sankt Goar!
Sie sahn zu Rhein, sie sahn zu Berg: - wie war das Schifflein doch so nett!
Es ging sich auf den Dielen fast, als wie auf Sanssouci's Parket!

Doch unter all der Nettigkeit und unter all der schwimmenden Pracht,
Da frißt und flammt das Element, das sie von dannen schießen macht;
Da schafft in Ruß und Feuersgluth, der dieses Glanzes Seele ist;
Da steht und schürt und ordnet er - der Proletarier-Maschinist!

Da draußen lacht und grünt die Welt, da draußen blitzt und rauscht der Rhein-
Er stiert den lieben langen Tag in seine Flammen nur hinein!
Im wollnen Hemde, halbernackt, vor seiner Esse muß er steh'n,
Derweil ein König über ihm einschlürft der Berge freies Weh'n!

Jetzt ist der Ofen zugekeilt, und Alles geht und Alles paßt;
So gönnt er auf Minuten denn sich eine kurze Sklavenrast.
Mit halbem Leibe taucht er auf aus seinem lodernden Versteck;
In seiner Fallthür steht er da, und überschaut sich das Verdeck.

Das glüh'nde Eisen in der Hand, Antlitz und Arme roth erhitzt,
Mit der gewölbten haar`gen Brust auf das Geländer breit gestützt -
So läßt er schweifen seinen Blick, so murrt er leis dem Fürsten zu:
"Wie mahnt dies Boot mich an den Staat! Licht auf den Höhen wandelst Du!

Tief unten aber, in der Nacht und in der Arbeit dunkelm Schoos,
Tief unten, von der Noth gespornt, da schür' und schmied' ich mir mein Loos
Nicht meines nur, auch Deines, Herr! Wer hält die Räder Dir im Takt,
Wenn nicht mit schwielenharter Faust der Heizer seine Eisen packt?

Du bist viel weniger ein Zeus, als ich, 0 König, ein Titan!
Beherrsch' ich nicht, auf dem Du gehst, den allzeit kochenden Vulkan?
Es liegt an mir; - Ein Ruck von mir, Ein Schlag von mir zu dieser Frist,
Und siehe, das Gebäude stürzt, von welchem Du die Spitze bist!

Der Boden birst, aufschlägt die Gluth und sprengt Dich krachend in die Luft!
Wir aber steigen feuerfest aufwärts an's Licht aus unsrer Gruft!
Wir sind die Kraft! Wir hämmern jung das alte morsche Ding, den Staat,
Die wir von Gottes Zorne sind bis jetzt das Proletariat!

Dann schreit' ich jauchzend durch die Welt! Auf meinen Schultern, stark und breit
Ein neuer Sankt Christophorus, trag' ich den Christ der neuen Zeit!
Ich bin der Riese, der nicht wankt! Ich bin's, durch den zum Siegesfest
Ueber den tosenden Strom der Zeit der Heiland Geist sich tragen läßt!"

So hat in seinen krausen Bart der grollende Cyklop gemurrt;
Dann geht er wieder an sein Werk, nimmt sein Geschirr, und stocht und purrt.
Die Hebel knirschen auf und ab, die Flamme strahlt ihm in's Gesicht,
Der Dampf rumort; - er aber sagt: „Heut, zornig Element noch nicht!'

Der bunte Dämpfer unterdeß legt vor Kapellen zischend an;
Sechsspännig fährt die Majestät den jungen Stolzenfels hinan.
Der Heizer auch blickt auf zur Burg; von seinen Flammen nur behorcht,
Lacht er: "Ei, wie man immer doch für künftige Ruinen sorgt!"

Ferdinand Freiligrath (1810-1876)

Aus:

ÇA IRA. Sechs Gedichte, Herisau 1846


Dazu lese man etwa Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch, 2006, insbesondere S. 120 - 124 ("Der Zornkönig") und 195-208 ("Klassenbewußtsein - Die Thymotisierung des Proletariats")

Samstag, 18. Juli 2009

Frankreich: Militante Arbeiteraktionen teilweise erfolgreich

Die Sprengdrohungen, mit denen französische Arbeiter in der vergangenen Woche pünktlich zum Jahrestag des Sturms auf die Bastille für Furore sorgten, waren offenbar teilweise erfolgreich. So akzeptierte der Hebebühnenbauer JLG in Tonneins (90 km südöstlich von Bordeaux) am Freitag erstmal die Forderung, 53 Mitarbeitern bei ihrer Entlassung im September jeweils 30.000 Euro Abfindung zu zahlen. Die Arbeiter bekämen damit zusätzlich 14.000 Euro zu der fälligen Abfindung von 16.000 Euro. Zuvor hatten die 163 JLG-Beschäftigten nach drei ergebnislosen Streikwochen auf dem Werksgelände Gasflaschen aufgestellt und gedroht, sie in die Luft zu sprengen.Sie folgten damit dem Beispiel von Beschäftigten des insolventen Autozulieferers New Fabris und des kanadischen Netzwerkausrüsters Nortel.

Den Anfang hatten am vergangenen Wochenende (12. Juli) die Arbeiter von New Fabris im westfranzösischen Châtellerault (30 km nordnordöstlich von Poitiers) gemacht, als sie nach fünf Wochen erfolgloser Fabrikbesetzung in ihrem Werk Gasflaschen in Stellung brachten und mit deren Sprengung drohten. Zugleich wurde den beiden Großkunden von New Fabris, Renault und PSA Peugeot Citroën, ein Ultimatum bis zum 31. Juli gesetzt, um je 30.000 Euro Abfindung für die 366 von der Werksschließung betroffenen Arbeiter zu erhalten. Da eine Demonstration vor der Renault-Firmenzentrale in Boulogne-Billancourt und Gespräche von Gewerkschaftsvertretern mit dem Renault-Management am Donnerstag keine Ergebnisse brachten, zündeten 50 Arbeiter am Freitag (17. Juli) eine 1,2 Tonnen schwere Fertigungsmaschine an. „Diese Aktion wurde beschlossen, um unseren Ärger und unsere Entschlossenheit zu unterstreichen. Wir werden das bis zum Ende durchziehen“, sagte Betriebsratschef Guy Eyermann. Er ist Mitglied der kommunistischen Gewerkschaft CGT.

Auch das Tauziehen um ein insolventes Werk des kanadischen Netzwerkausrüsters Nortel in Châteaufort (neun Kilometer südöstlich von Versailles) dauert derzeit noch an. Hier hatten am Mittwoch (15. Juli) streikende Nortel-Beschäftigte ebenfalls Gasflaschen in ihrer Fabrik aufgestellt und mit Sprengung gedroht, um bessere Bedingungen bei dem geplanten Stellenabbau zu erkämpfen. Daraufhin fanden am Donnerstag Gespräche zwischen Vertretern der Arbeiter und dem Insolvenzverwalter im französischen Industrieministerium statt. Nach Angaben der christlichen Gewerkschaft CFTC wurde eine Einigung erzielt, die den Streikenden ab Montag (20. Juli) unterbreitet werden soll.

Donnerstag, 16. Juli 2009

BOUM! Französische Arbeiter wollen weitere Fabrik in die Luft sprengen

Der Artikel von Richard Grove über Arbeiterproteste bei der insolventen Tochter des kanadischen Netzwerkausrüsters Nortel in Châteaufort, neun Kilometer südwestlich von Versailles, steht in der Linken Zeitung.

Samstag, 11. Juli 2009

Obama in Ghana oder Gelb ist das neue Grün - Update

Obama-Fieber in Ghana: Tausende Bürger machten sich am Freitag auf den Weg zum Flughafen in Accra, um den US-Präsidenten zu begrüßen.

In Südafrika haben unterdessen fünfhundert Bergarbeiter der Crocodile River Mine, einem Bergwerk des kanadischen Konzerns Eastern Platinum Limited, am Samstagmorgen einen wilden Streik wieder abgebrochen. Die Zeitarbeiter hatten am Donnerstag neun Vorarbeiter als Geiseln genommen, um feste Arbeitsverträge zu erzwingen. Ein per Gerichtsbeschluß erlaubter Streik von 70.000 Bauarbeitern, der derzeit die südafrikanischen WM-Baustellen lahmlegt, soll dagegen noch bis Dienstag weitergehen. Die Gewerkschaft National Union of Mineworkers hatte eine 13-prozentige Lohnerhöhung und anderes gefordert, der Arbeitgeberverband Safcec hat inzwischen sein Angebot auf 11 Prozent verbessert.

Wer aber sind die beiden Herren auf den T-Shirts ?

Na, das ist wohl der 21st Century Schizoid Man ...

Montag, 6. Juli 2009

Wallerstein über Nixon, Kissinger und den Armen Mann von Washington

Immanuel Wallersteins Kolumne, veröffentlicht am 1. Juli 2009, steht hier .

(Dazu könnte man beispielsweise hören „Elephant Talk“ in der Originalversion von King Crimson oder interpretiert von der Tony Levin Band.)

Immanuel Maurice Wallerstein ist ein US-amerikanischer Afrikanist, Historiker und Sozialwissenschaftler. Seine bekannteste Buchveröffentlichung ist das großangelegte, mehrbändige Opus „The Modern World System“, das an Marx, die französische Annales-Schule und die Dependenztheorie anknüpft; bisher erschienen sind die Bände I (1974), II (1980) und III (1989), die auch ins Deutsche übersetzt wurden.