Mittwoch, 2. Dezember 2009

Heini von Pierer, der edle Ritter, treibt es erneut als Schmiergeld-Sodomiter


Der heutige Mittwoch war erstmal kein schlechter Tag für die deutsche Großkopfeten-Wirtschaft.

Am runden KanzlerInnen-Tisch wurde dem Mittelstand zum x-ten Mal das Blaue vom Himmel herunter versprochen, und im Südosten hat man zwei Finanz-Leichen mittlerer Größe wieder in den Keller zurückverfrachtet, allenfalls die gute ehrbare Kaufmanns-Moral hat etwas gelitten, weil zwei Wirtschaftsführer unbedingt beweisen mußten, daß sie ebenbürtige Weicheier sind.

Aber das wußten die journalistisch Eingeweihten bereits vorher.

Insofern nichts wirklich grundstürzend Neues.

Mit dem nachmittäglichen Tee-Kränzchen bei der Kanzlerin braucht man sich nicht lange aufzuhalten: Madame Merkel schickte Wirtschaftsminister Brüderle und den am rechten Zeige- und Zählfinger rundum bandagierten Finanzminister Schäuble am Abend vor die Löwen der Bundespressekonferenz, um das Ergebnis des Round-Table-Meetings herauszuposaunen. Woraus man schon schließen kann, was tatsächlich herauskam: Deutlich weniger als nichts, keine neue Regeln für die Banken, nicht einmal neue Staatsschulden wurden verkündet. Vorsorglich hatten die EU-Knickerbocker ja schon gegen Mittag in Brüssel auch mal wieder ein neues Defizit-Verfahren gegen die Bundesrepublik annonciert, und mit diesen Knausern will man sich’s in Berlin natürlich nicht verscherzen. Also Schwamm drüber…

Eine etwas nähere Betrachtung verdienen nun aber doch die beiden Finanz-Leichen mittlerer Größe. Denn hier wurde nach monatelangen Verhandlungen zwischen Rechtsanwälten, Leistungsträgern, Privatdetektiven, Frühinvaliden, Dealmakern und anderen Halbweltgestalten in beiden Fällen etwas erzielt, was wichtigtuerische Experten nicht anstehen, einen „überraschenden Durchbruch“ zu nennen.

So kam es zu einem überraschenden Durchbruch im mysteriösen Diebstahl des Sarkophags mitsamt der Leiche des Milliardärs Friedrich Karl Flick, deren Entführer ursprünglich sechs Millionen Euro Lösegeld für die Zurückgabe des erlauchten Kadavers gefordert hatten, und dann gleich noch zu einem ebensolchen in der milliardenschweren Siemens-Schmiergeld-Affäre, wo sich zwei hochrangige Wirtschaftsführer, Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme und sein Vorgänger Heinrich von Pierer, für schlappe sechs Millionen Euro gegenseitig den Schneid abzukaufen suchten.

Beides gelang – wenn auch nur zu mehr oder weniger ermäßigten Preisen – am Ende beinahe vollständig.

Im ersten Fall von Rechts- , Finanz- und Leichenhandel war der Rabatt besonders stark, es fielen neben Anzahlungen der Flick-Familie in Höhe von 200.000 Euro (gezahlt in zwei Raten) bislang nur private Transportkosten von etwa 740 Euro für die Überstellung der Leiche von Österreich nach Ungarn an, was vier Hilfsarbeiter irgendwie bewerkstelligt haben müssen, wie die Polizei inzwischen herausgefunden hat, von denen also jeder 185 Euro erhielt (ob das die Auslagen und Arbeitskosten wirklich abgedeckt hat ?), die vier Herren (drei davon rumänische Landsleute) sind übrigens flüchtig, und die Kosten für den Rücktransport der Milliardärs-Mumie übernahm natürlich Österreich-Ungarn, wohingegen jetzt der mutmaßliche Drahtzieher der Translatio Frederici, ein Budapester Rechtsanwalt, hinter ungarischen Gardinen sitzt. Recht geschieht dem Rendite-Terrorist, das nächste Mal, da sind wir uns sicher, bezahlt der Schuft seine Leute ordentlich !

Beim zweiten Deal des Tages, der finalen Schadensabwicklung der sogenannten Siemens-Korruptions-Affäre im Konzern-Aufsichtsrat, ging’s scheinbar etwas vornehmer zu als bei der österreichisch-ungarischen Totenverschiebung. Hier einigte sich eine, wenn sie denn vollzählig versammelt war, gemischt 20-köpfige Herren- und Damenrunde (die holde Weiblichkeit repräsentiert durch zwei Gewerkschaftsfrauen und eine promovierte Business Woman) heute morgen im Grundsatz auf folgenden Deal: Neun Alte Siemens-Herren zahlen alle jeweils ein kleines Sümmchen an ihren früheren Arbeitgeber, den sie zuvor mit ihrem Tun und Lassen an den Rand des finanziell-moralischen Ruins gebracht hatten, und werden von ihrer Ex-Firma deshalb im Gegenzug nicht vor ein ordentliches Gericht zitiert.

Das ist doch was, oder ?

Man könnte sagen, das Ganze ist ein hübsches Ablaßzahlen-, Schweigegeld- und Stillhalte-Agreement, die Vereinbarung einer Reihe von Zahlungen, denen beim Vertragspartner (der Siemens AG) in keinem Fall irgendeine reale positive Gegenleistung, sondern hier nur die Verpflichtung zur Unterlassung einer solchen entspricht.

Mit anderen Worten, es handelt sich erneut um eine Schmiergeld-Operation, um eine Transaktion, deren Zweck genauso dubios ist, wie es der ganze Siemens-Korruptions-Zirkus schon bisher war, also jene 1, 3 Milliarden Euro „zweifelhafter Zahlungen“, mit denen von Pierer & Konsorten ihren Konzern zwischen 2000 und 2006 überhaupt erst in die Scheiße geritten haben (sieht man einmal davon ab, daß die Herren in diesem Zeitraum auch ihr Handy-Geschäft, so wie vorher die Halbleiter-Sparte, versiebt haben). Und erneut lautet die einzige greifbare Begründung: Wir müssen das so machen, denn es ist notwendig für’s Geschäft.

Das auszusprechen überließ man freilich dem IG-Metall-Vorsitzenden Berthold Huber, der auch im Siemens-Aufsichtsrat sitzt, für irgendetwas müssen solche Arbeiterführer ja gut sein. „Es ist gut für das Geschäft, daß diese Auseinandersetzungen beendet sind“, gab der wackere Mann heute im Anschluß an die Aufsichtsratssitzung der „Süddeutschen Zeitung“ zu Protokoll. „Siemens soll positive Schlagzeilen machen.“

Schauen wir uns nun die einzelnen, heute beschlossenen Ablaßzahlungen näher an. Ex-Boss Heinrich von Pierer, der alte Schlaumeier, konnte seinen Beitrag auf 5 Millionen Euro herunterhandeln (zahlbar in Raten) – der derzeitige Siemens-Aufsichtsratvorsitzende Gerhard Cromme hatte ursprünglich sechs Millionen Euro gefordert (und damit monatelang die halbe deutsche Wirtschaftspresse kirre gemacht). Auch Ex-Personalchef Jürgen Radomski bekam mit 3 Millionen Euro einen veritablen Gnaden-Rabatt – hier hatte man zunächst 4 Millionen Euro verlangt. Bei den anderen gab’s gab offenbar keinen Preisnachlaß: Klaus Kleinfeld, heute Chef des US-Aluminiumkonzerns Alcoa und Vorgänger von Pierer als Vorstandsvorsitzender, soll zwei Millionen Euro zahlen. Von Johannes Feldmayer (Ex-Europa-Chef) und von Uriel J. Sharef (Ex-Amerika-Chef) werden jeweils 4 Millionen Euro verlangt, während der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Hermann Baumann mit 1 Million Euro zur Kasse gebeten wird. Hinzu kommen drei weitere Alte Herren mit kleineren Gaben für den Siemens-Klingelbeutel – ingesamt belaufen sich diese neun Vergleichsvereinbarungen auf 19,5 Millionen Euro. Nur den Josef "Joe" Ackermann, der bereits zu Siemens-Schmiergeld-Hochzeiten im Konzern-Aufsichtsrat saß (als stellvertretender Vorsitzender, d. h. als zweiter Mann hinter K.-H. Baumann) und heute dort noch immer sitzt (inzwischen als 2. stellvertretender Vorsitzender), hat man wieder mal verschont. Das hat er toll gedrechselt, der Mr. Deutsche Bank ...

So macht Konzern-Kapitalismus Spaß: Ein Verkäuferin verliert wegen einem verspeisten Wurstbrötchen im Wert von 2 Euro 50 ihren Job, aber die Siemens-Bande, die mindestens 3,8 Milliarden Euro in den Sand gesetzt hat (1,3 Milliarden Schmiergeld + 2,5 Milliarden Rechtskosten und Steuernachzahlungen), kommt mit einer Stillhaltegebühr von 19,5 Millionen Euro davon, das heißt deutlich weniger als 1 Prozent der Schadensumme, und muß nicht einmal vor den Kadi – und das erledigten alles hochbezahlte Rechtsanwälte für sie.

Von Pierer (und vier seiner Kumpane) erwartet bestenfalls noch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren bei der Münchner Staatsanwaltschaft, und nicht einmal das scheint sicher zu sein. Die Strafverfolgungsbehörden sind nämlich angesichts systemischer Konzern-Korruption, die darin besteht, daß niedere Chargen und Vollstrecker ihren Wirtschaftsführern willig voraus- und entgegenarbeiten und das Drecksgeschäft für sie erledigen (andernfalls würden sie gefeuert), heillos überfordert und unterbesetzt; denn diese Herren und Damen Staatsanwälte wissen, daß sie gegen die gewieften vielköpfigen Anwaltsteams der Gegenseite in neun von zehn Fällen doch den Kürzeren ziehen müssen; deshalb versuchen sie erst gar nicht, dem Buchstaben und Geist der Gesetze Taten folgen zu lassen, und ducken sich ebenfalls lieber weg.

Freilich, ganz und völlig hat er sich dann am Ende doch nicht weggeduckt, der von Pierer. Eine Journalistin des "Tagesspiegel" hat den Mr. Siemens gestern doch tatsächlich per Telefon erreicht. Sie wollte natürlich wissen, ob er irgendetwas zu dem ganzen peinlichen Kuhhandel zu sagen habe. Von Pierer hatte. „Kein Kommentar“, erklärte ihr der edle Ritter am Handy. Er sei gerade geschäftlich in Thailand unterwegs. Und der Lärm im Hintergrund habe nichts mit ihm zu tun.

Das war, gemessen am sonstigen Niveau des hiesigen Wirtschaftsjournalismus und des Genres Top-Entscheider-Interview, dann doch eine fast erschöpfende Auskunft. Corinna Visser, gelobt sei dein Name !
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Foto: Deutsche Presse-Agentur

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