Die Liebe und die Kälte
Hunger, Kälte, Trunkenheit und Sattheit sind keine Zeiten, wo man der Liebe pflegen sollte. Wenn es einen aber überkommt und man ihr doch nachgehen möchte, dann ist es bei Kälte und Trunkenheit schließlich noch möglich, nicht aber bei Hunger und Überfütterung. Bei der Kälte nämlich kommt das Leiden von außen, beim Hunger aber von innen. Bei der Trunkenheit kann man sich an die Kraft des Weins halten, aber bei Überessen gibt es kein Mittel, den Körper leicht zu machen.
Beischlaf ist ja doch ein Kampf. Mit leerem Magen kann man nicht in den Kampf gehen; wenn man zusammen ist, fällt man in Schlaf. Mit vollem Magen kann man nicht schlafen. Wenn der Hunger nicht in den Eingeweiden brennt und die Vollheit nicht den Magen bedrückt, ist es rechte Zeit für eheliche Freuden.
Li Yü, Die vollkommene Frau. Das chinesische Schönheitsideal (1671), übersetzt und eingeleitet von Wolfram Eberhard, Verlag die Waage, Zürich 1963, Seite 128f.
Foto: Paris Fashion Shows/Shanghai Daily
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