Dienstag, 9. März 2010

Aufruf von Arbeitern der Hellenic Telecom


Zu dem "Schatz der Griechen", über den unlängst das deutsche Manager-Magazin spekulierte und dessen Versilberung den Hellenen nahegelegt wurde (nach dem Motto: „Es müssen ja nicht die Inseln sein“), gehört auch die börsennotierte Telefongesellschaft Hellenic Telecom S.A. (abgekürzt OTE), ein ehemaliges Staatsunternehmen. Der griechische Staat hält daran heute noch 20 Prozent, die Deutsche Telekom übernahm im November 2008 für 3,2 Milliarden Euro einen Anteil von 30 Prozent plus einer Aktie (wobei dieser Einstieg in Griechenland heftig umstritten war und im Parlament zu einer Grundsatzdebatte führte). OTE war auch von dem Siemens-Schmiergeldskandal betroffen und hatte Siemens deswegen verklagt. Jetzt sind unabhängige OTE-Arbeiterinnen, die in Distanz zu den staatsnahen Gewerkschaften GSEE und ADEDY stehen, mit einem Aufruf zum Generalstreik am 11. März an die Öffentlichkeit gegangen, den wir im folgenden dokumentieren. (Grundlage ist die bei Indymedia Germany dankenswerterweise gepostete Übersetzung von Iaurti Iaurtaki, die wir etwas überarbeitet haben. Indymedia hatte den Text aus unerfindlichen Gründen zunächst im Giftschrank versteckt – jetzt wurde er dort aber mit Ergänzungen nochmals gepostet ).


WER VON SOZIALEM FRIEDEN SPRICHT, ERKLÄRT UNS DEN KRIEG


Krise, ich krieg die Krise ...

... und in Auseinandersetzung mit dieser Krise zeigt der Staat erneut sein wahres Gesicht der Unterdrückung, indem er neue Maßnahmen durchpeitscht, die den Lebensstandard der meisten Menschen in einen Zustand zurückwerfen, der an vergangene Zeiten gemahnt. Mit billigen Wir-sitzen-alle-im-selben-Boot-Slogans werden die Griechen zur Rettung ihres Landes und zur Begleichung von Schulden und Defiziten aufgerufen, die nicht das Volk verursacht hat; doch zu eben diesem Zweck will die Regierung die arbeitenden Klassen, Angestellte und Ruheständler zwingen, ihre Erungenschaften und Rechte zu opfern. Das Verzocken der Reserven der Sozialversicherungen auf Aktienmärkten oder durch Kauf strukturierter Anleihen, dreiste Steuerhinterziehung durch die Arbeitgeber, das Umleiten millionenschwerer staatlicher Unternehmens-Beihilfen (zur Beschäftigungsförderung) in ausländische Briefkastenfirmen zwecks Steuerhinterziehung – all das sind nur ein paar Gründe für die jetzige Situation. Der Angriff auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die verheerenden Kürzungen der Beihilfen der Angestellten im öffentlichen Dienst, die bereits den Weg zu entsprechenden Kürzungen im Privatsektor pflastern, das Einfrieren der Renten, selbst der mageren 360 Euro-Renten (eine kräftige Kürzung angesichts der Inflation), die neuen Steuern, die sowohl die Preise für Grundbedarfsmittel, aber auch für Sprit, Tabak und Alkohol erhöhen, die erhöhten Strompreise – alle diese Maßnahmen treffen praktisch jedermann außer genau jenen, die für die wirtschaftliche Situation verantwortlich sind. In Wahrheit ist das, was wir hier sehen, die unverschämte Umverteilung gesellschaftlichen Vermögens zum Nutzen des Kapitals.


Prost den Blutsaugern ...

In eben dieser Situation, in der die Regierung also mit Hilfe der parlamentarischen Opposition und der Massenmedien hysterisch an die junge Griechen mit ihren 700 Euro und die Rentner mit ihren 600 Euro appelliert, "den Gürtel enger zu schnallen", weil "kein Geld" da sei, sind andere Zahlen zu beachten: Der Profit der Banken der letzten acht Jahre betrug 300 Milliarden Euro, das Staatseinkommen könnte 5,6 Milliarden betragen, würden die 166 Unternehmen mit den höchsten Profiten mit 40% besteuert werden, wie es vor ein paar Jahren noch der Fall war (und nicht wie heute mit nur 20%); 30.000 griechische Familien haben 50 Milliarden auf Konten von Privatbanken, weitere 40 Milliarden wurden von griechischen Bürgern im Ausland gebunkert; gleichzeitig arbeiten 10.000 Briefkastenfirmen mit 500 Milliarden griechischem Kapitals, wodurch dem Staat pro Jahr 6 Milliarden Steuern pro Jahr dem Staat entgehen - die Liste ist schier endlos. Letztlich läuft es darauf hinaus, daß doch Geld da ist, und zwar reichlich.


Die einzige Antwort, unsere kollektiven Kämpfe ...

Die neuen Maßnahmen zielen auf den ökonomisch schwächsten Teil der Bevölkerung und können im harmlosesten Fall als verheerend bezeichnet werden, denn in der Wirklichkeit trinken sie das Blut der unterbezahltesten Arbeiter und der Rentner. Die selbstherrliche Regierungspolitik wird sich damit nicht begnügen ... es ist noch mit weiteren, härteren Sparmaßnahmen zu rechnen. Um die Rentabilität des Kapitals abzusichern, ist man dazu entschlossen, alle verbleibenden Arbeiterrechte zu beseitigen. Gegen den Raubzug der Regierung, gegen die Pläne bürgerlicher Experten, die über unser Leben entscheiden wollen, sind die Arbeiter und die Jugend auf die Straße gegangen und haben ihre Entschlossenheit zum Widerstand demonstriert. Die massive Beteiligung am Generalstreik vom 24. Februar und an den Protesten vom 4. und 5. März sind ein erster Hinweis auf das, was die nächste Zeit kommen wird. Aber die Arbeitermacht kann nicht darauf warten, daß sie nur durch Strukturen in der Art der staatsnahen Gewerkschaften GSEE (Allgemeine Konföderation der Arbeiter im Privatsektor) und ADEDY (Konföderation der Arbeiter im öffentlichen Sektor) ausgedrückt wird.


Die Masken sind schon vor langer Zeit gefallen

Das offizielle Gewerkschaftswesen vermag nicht die Interessen der betroffenen gesellschaftlichen Mehrheit zu vertreten; diese Leute wollen das auch gar nicht, weil sie viel zu stark mit staatlichen und unternehmerischen Strukturen verbandelt sind. Die Gewerkschaftsführungen verhalten sich repressiv gegenüber den wirklichen Interessen der Arbeiter; GSEE und ADEDY sind daher nicht in der Lage, die benötigte Abwehrfront zu bilden und den Angriff auf Arbeiterrechte zu verteidigen. Die einzige Lösung ist die Koordination der unabhängigen Arbeiter, der Arbeitslosen, der Jugendlichen und der Rentner, all jener Teile der Gesellschaft, die angegriffen werden. Wir koordinieren uns mit anderen Basisgewerkschaften und stellen unsere Bedürfnisse und Rechte ins Rampenlicht.


DIE SCHÖNHEIT LIEGT AUF DER STRASSE ...

Die uns das Brot vom Tisch stehlen,
predigen Genügsamkeit.
Jene, die alles aneignen, was für alle gedacht war,
verlangen Opfer.
Die Vollgefressenen vertrösten das hungernde Volk
auf großartige Zeiten – später.

-Bertolt Brecht


HERAUS ZUM GENERALSTREIK UND ZUR DEMONSTRATION AM 11. MÄRZ 2010


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Foto: Athener Demo vom 24. Februar 2010 mit dem Transparent "Αντιστεκομαστε – Antistekomaste – Wir leisten Widerstand"

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