Freitag, 19. März 2010

Krisendemo und Griechenland-Solidarität in Deutschland

Video: Großdemo und Straßenkämpfe in Athen am 11. März 2010



Anläßlich einer landesweiten Krisendemo in Essen und einer Protestaktion in Stuttgart am 20. März 2010, beide unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise!“, dokumentieren wir im folgenden eine Grußadresse des SYRIZA-Vertreters Andros Payiatsos aus Griechenland und einen Solidaritäts-Aufruf von Linken & GewerkschafterInnen aus Deutschland (siehe auch den englischen Artikel von Richard Grove auf Indymedia UK):


*Grußadresse aus Griechenland an die Demonstrationen in Essen und Stuttgart (via Sozialistische Alternative)

"Liebe Brüder und Schwestern, deutsche Arbeiterinnen und Arbeiter, die Ihr gegen die Kürzungspolitik von Angela Merkel und Co. kämpft,

wir senden Euch unsere wärmsten Grüße und wünschen Euren Kämpfen Erfolg!

Es gibt heute keinen Teil der Arbeiterklasse in Europa, der nicht angegriffen wird. Die herrschenden Klassen in Europa wollen uns für die Krise bezahlen lassen, für die sie selber verantwortlich sind - die Bänker und Profiteure in ihrem unersättlichen Durst und Gier nach Profit. Sie wollen, dass wir für die Rettung der Banken und Konzerne zahlen, die im Verlauf der Krise zusammen gebrochen sind.

Die griechische Arbeiterklasse wird gezwungen, einen hohen Preis zu zahlen. Aber sie trägt nicht die geringste Verantwortung für die Krise. Als ob das nicht genug wäre, wird eine Lawine von Lügen und Verleumdungen über uns ausgeschüttet, werden wir als faul und korrupt dargestellt. Die das behaupten sind Lügner und Heuchler. Und sie lügen um ihre eigene kriminelle Politik zu verstecken.

Sie sagen “wir leben über unseren Verhältnissen” ...

... aber sie sagen nicht, dass eine Million griechischer Rentnerinnen und Rentner von weniger als 500 Euro im Monat leben.

... sie erwähnen mit keinem Wort die “700-Euro-Generation” - die neue Generation junger Beschäftigter, die nicht mehr als 700 Euro im Monat verdienen - wenn sie einen Vollzeitarbeitsplatz haben, was selten der Fall ist. Tatsächlich haben sie Teilzeitjobs für 300 oder 400 Euro im Monat mit Monats- oder sogar Tages-Arbeitsverträgen.

...sie erwähnen kaum, dass zwanzig Prozent der griechischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben und sie erklären nicht, dass diese Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie bei 900 Euro monatlich liegt. Das ist keine Armut - das ist Hunger!

Sie behaupten, die griechischen Arbeiterinnen und Arbeiter seien korrupt, aber sie erwähnen niemals die wirklich Verantwortlichen. Der größte Skandal der letzten Zeit war der Siemens-Skandal. Die Personen, die von Siemens gekauft wurden gehörten zu den engsten Kreisen der Regierung und beider Parteien der herrschenden Klasse. Die großen multinationalen Konzerne und die Top-Eliten stecken bis zum Hals in Korruption -aber sie verlangen, dass Arbeiter für ihre Verbrechen zahlen!

Nur mit Lügen und Verleumdungen können sie ihre Politik durchsetzen. Selbst in Zeiten dieser zerstörerischen Krise denken sie nur an ihren Profit. Angela Merkel besteht darauf, dass die griechischen Arbeiterinnen und Arbeiter für die Krise zahlen, aber sie besteht auch darauf, dass die die 60 Eurofighter, Leopoard-Panzer und U-Boote kauft, worüber gerade verhandelt wird. Die amerikanische, französische und deutsche Rüstungsindustrie hat in Griechenland einen exzellenten Kunden. 4,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts werden für Rüstung ausgegeben - die höchste Rate in Europa! Aber keiner der ‘weisen’ Politiker fordert Kürzungen im Rüstungshaushalt.

Die Heuchelei der EU-Führer wird Millionen griechischer Arbeiterinnen und Arbeiter immer klarer. Sie verstehen, dass der Feind zu Hause und im Ausland steht - die griechische herrschende Klasse zusammen mit den herrschenden Klassen Europas sind die Feinde! Und die einzigen Verbündeten, die wir haben sind die Arbeiterinnen und Arbeiter anderer Länder, die auch gegen Kürzungen kämpfen.

Wir brauchen eine europaweite Einheit gegen die Angriffe. Keiner von uns kann alleine kämpfen. Wir brauchen einen europaweiten Aktionstag der Arbeiterinnen und Arbeiter. Wir brauchen einen allgemeinen europaweiten Generalstreik gegen diese Kürzungspolitik.

Hinter der Krise stehen die Bänker, Spekulanten und multinationalen Konzerne. Sie sollen zahlen! Eine unserer zentralen Forderungen sollte die Verstaatlichung der Banken und deren demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten und die Gesellschaft sein! So könnten sie für das Wohl der Mehrheit und nicht für den Profit einer kleinen Minderheit wirtschaften.

Andros Payiatsos
Nationales Sekretariat SYRIZA (Koalition der Radikalen Linken)"



*Aufruf von Linken und GewerkschafterInnen aus Deutschland (via Sozialistische Alternative)

"Seit mehreren Wochen demonstrieren und streiken die ArbeiterInnen in Griechenland gegen die geplanten massiven Kürzungen bei Löhnen, Renten und Bildung, gegen Stellenabbau im öffentlichen Dienst und Erhöhungen von Massensteuern. Deutsche Politiker, Unternehmer und Medien behaupten, „die Griechen“ hätten „über ihre Verhältnisse gelebt“ und müssten nun dafür den Preis zahlen. Zudem wird das Klischee bedient, dass in Griechenland - und generell in Südeuropa - Misswirtschaft und Korruption vorherrschen.

Mit dieser Propaganda soll davon abgelenkt werden, dass die Masse der griechischen Bevölkerung, wie in Deutschland und überall, nicht die Rezession verursacht hat, sondern im Gegenteil mit ihren Steuergeldern die Banker und Spekulanten „gerettet“ wurden. Dieselben Banken saugen jetzt ihre Retter finanziell aus! Gleichzeitig wollen die herrschenden Eliten und ihre Meinungsmacher in den Massenmedien nach dem Motto "teile und herrsche" die arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerungen der verschiedenen europäischen Länder gegeneinander ausspielen.

Die Mehrheit der Griechen muss von deutlich niedrigeren Löhnen als in Deutschland leben, bei ähnlichen Preisen. Mit der Kampagne des Establishments soll davon abgelenkt werden, wer die Schuldigen für die schwerste Rezession seit achtzig Jahren sind und der ideologische Boden bereitet werden, um die Kosten der Masse der Bevölkerung aufzuhalsen. Reiche und Konzerne werden gleichzeitig weiter beschenkt.

Die Antwort von Gewerkschaften, sozialen und linken Bewegungen darauf sollte sein: Gemeinsam gegen die Verursacher der Krise auf die Straße! Mobil machen gegen die Politik der nationalen Regierungen und gegen die EU-Kommission, die auf Anweisung der Großmächte Griechenland de facto unter Zwangsverwaltung stellt und entrechtet.

Der Widerstand der Lohnabhängigen, SchülerInnen, StudentInnen und RentnerInnen in Griechenland verdient die solidarische Unterstützung der europäischen Arbeiterbewegung und Linken. Ein erfolgreicher Kampf gegen die Vorhaben der EU und der griechischen Regierung würde eine Ermutigung für alle Beschäftigten in Europa darstellen.

Die beste Unterstützung wird jedoch sein, wenn wir von den griechischen KollegInnen lernen und in Deutschland und ganz Europa damit anfangen gegen die Politik des Kahlschlags zu kämpfen. Die Demonstrationen am 12. Juni und der Bildungsstreik sind ein Anfang. Gemeinsame, europaweite Aktionen und Proteste, zum Beispiel ein europaweiter Aktionstag, sollten von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und linken Parteien angegangen werden.

Hoch die internationale Solidarität!

Erstunterzeichner:

Michael Aggelidis, Landesvorstand DIE LINKE NRW
Dieter Braeg, ehem. BR Vorsitzender der Fa,. Pierburg Neuss, Bezirksvertreter Mönchengladbach Süd – Die Linke.
Mustafa Efe, Betriebsrat Daimler Berlin und IG Metall Vertrauensmann*
Jürgen Egener, Kreisvorstand DIE LINKE.Krefeld
Dr. Eckhard Fascher, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE Kreistag Göttingen
Viktor Frohmiller, Jugend- und Auszubildendenvertreter Berliner Verkehrsbetrieb*
Inge Höger, MdB DIE LINKE
Dieter Janßen, ver.di-Vertrauensmann und Personalratsmitglied Klinikum Stuttgart*
Ulla Jelpke, MdB DIE LINKE
Christine Lehnert, Bürgerschaftsabgeordnete Rostock, Sozialistische Alternative (SAV)
Claus Ludwig, Sozialistischer Stadtrat, Die LINKE.Köln
Michael Prütz, BASG, Berlin
Lucy Redler, Bundessprecherin Sozialistische Alternative (SAV)
Rainer Spilker, Vorsitzender ver.di-Ortsverein Minden
Winfried Wolf, Chefredakteur Lunapark21"

(*=Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person)

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