Mittwoch, 20. Januar 2010

Kristina ist eine ganz Scharfe


Das flotte CDU-Mädel, Ende November überraschend auf einen Berliner Chefsessel im Kabinett Merkel II promoviert, hatte da im Glück zunächst wohl ein bißchen Unglück: Da ihre ministeriale Aufwärmphase in die kalte Jahreszeit fiel, brauchte die Wiesbadenerin erstmal eine gewisse Akklimatisierungs-Periode, um in den neuen vier Wänden so richtig heimisch zu werden. Zuerst, so stand zu lesen, fremdelte sie etwas im neuen Amt bzw. hatte ein paar Schmetterlinge im Bauch, dann mußte sie dem investigativ beschwingten Journalisten-Schwarm erklären, weshalb ihre Doktorarbeit gewissermaßen als horizontales oder vertikales teamwork à quatre mains zu verstehen sei, und schließlich wurde bekannt, daß Vorgängerin von der Leyen nicht nur zwei bewährte Ministerialbeamtinnen, eigentlich fest eingeplant als Stütze für Kristinas Gesellschaft, sondern auch noch inhaltliche Portfolio-Perlen in ihr neues Ressort (Arbeitsministerium) mitgenommen hatte. Jeder Versuch, an Frau Ursulas siebenfaches Mutterverdienstkreuz heranzukommen, wäre für die 32-jährige Jungpolitikerin ja ohnehin nur ein verflixt langfristig realisierbares Unterfangen, zumal das romantische Vorspiel zu diesem Projekt auch noch nicht in trockenen Tüchern ist. Das steht erst für Februar an, da will die frischgebackene Familienministerin mit ihrem Parteifreund Ole Schröder, einer Stütze in Innenminister de Maizières Gesellschaft, politisch korrekt in den Hafen der Ehe einlaufen …

Man fing also fast schon an, Mitleid mit der unter doppeltem Erfolgsdruck stehenden Pferdeschwanz- und Hoffnungsträgerin zu haben, als am letzten Wochenende, gerade noch rechtzeitig, ein berüchtigtes Hamburger Nachrichtenmagazin mit einer politischen People- und Office-Story intervenierte, um dem Wiesbadener Wildfang jetzt mal ein bißchen Feuer unter dem Popo zu machen (Der Spiegel, Nr. 3, 18. Januar 2010, Seite 28-29). Und als sich dann noch eine von Friede Springers Edelfedern einmischte, wurde daraus endlich ein Projekt, mit der Frau Köhler jetzt rechtspopolistisch vielleicht mal ein bißchen punkten kann. Geplant ist demnach die politische Landschaftspflege links bzw. rechts von der Mitte – je nachdem, wie man das sieht. "Im Jugendministerium", so jubilierte die FAZ jedenfalls in ihrer Mittwochsausgabe (Seite 4), "werden künftig auch Fördermittel für den Kampf gegen den Linksextremismus bereitgestellt." Und die Islamismus-Front soll auch nicht ganz leer ausgehen. Die neue Jugendministerin beginne damit eine "behutsame Korrektur der kriminalstatistisch ungerechtfertigten Förderpolitik" ihres Hauses, so erklärte uns das Blatt. Bisher war der ministeriale Geldsegen nämlich fast auschließlich über gutgemeinten Projekten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus niedergegangen …

Wer genau die fesche Kristina da zum Jagen in diesen neuen Feuchtgebieten des linken (und islamistischen) Extremismus-Sumpfes getragen hat, läßt sich ex post freilich nur noch ungefähr rekonstruieren. Die Diplom-Soziologin und promovierte Politologin hatte wohl beim Kassensturz im Ministerium überraschend noch jede Menge "Restmittel" aus dem Haushaltsjahr 2009 entdeckt – in den ersten Wochen ihrer Amtszeit waren dem "Spiegel" zufolge ja ohnehin fast ausschließlich Mobilfunk-Kosten angefallen. (Ganz zu Anfang, verriet sie dem Magazin, sei sie nämlich vollkommen allein gewesen in ihrem neuen Amt: "Nur mein Handy und ich"). Ein gewisses Schärflein zur glücklichen Wendung der Dinge hat aber vielleicht auch die turbulente Mely Kiyak beigetragen, die zuverlässig freche Frankfurter-Rundschau-Kolumnistin, die Anfang Januar zu einer schlüpfrigen Bildungsreise in die Mannheimer Kunsthalle aufgebrochen und von dieser "sentimental journey" zurückgekommen war mit einem frei assoziierenden, ziemlich angeschwipsten Stück, das sich als spontane Epistel an die "liebe Kristina Köhler" entpuppte, welche darin zwar nur kurz, gerade deshalb aber vielleicht um so nachhaltig erfrischender angesprochen wurde, und das klang dann so:

„Auf der Rückfahrt dachte ich, was soll's, die Welt geht unter, und von unserer Familienministerin hört man auch nichts, außer daß sie gerade dabei ist, eine Familie zu gründen, sich also für eine andere Form des Extremismus entschieden hat, statt Familienpolitik zu betreiben.“

Vielleicht war's ja das, vielleicht war es am Ende dieses anregend prickelnde Kiyak'sche Ideengewimmel, das dann, im morgendlichen Amts-Presse-Spiegel der Ministerin mundgerecht dargebracht, bei jener den fatalen Knoten der "performance anxiety" glücklich und endlich platzen ließ, so daß Frau Kristina sich sagte: Also gut, Familiengründung hin, Extremismus her, die Hausherrin hier am Alexanderplatz bin jedenfalls ich, mobiltelefoniert ist auch genug, und deshalb beschließt meine Effizienz jetzt mal, zur Feier des Tages ein kleines Fäßlein namens "Kampf gegen den Linksextremismus" aufzumachen …

And here we are, nun sollte Frau Köhler natürlich auch liefern. An Ideen, wie das ministerielle Manna zu verteilen ist, dürfte zum Glück kein Mangel sein. Der Institutionen- und Projektdschungel des staatlich geförderten Antifaschismus hält hier genügend Anregungen bereit. Es entstehen nun gewiß noch mehr solcher phantasievoller Produkte wie der unlängst in Nordrhein-Westfalen kreierte Verfassungsschutz-Comic "Andi", der im poppigen Manga-Stil die politische Sozialisation des geschätzt 14-jährigen Musterdemokraten Andi erzählt: Zuerst hat der blondgelockte Musterknabe Streß mit Neonazis (Band 1), dann Ärger mit Islamisten (Band 2) und zuletzt gerät er in einer linksmilitanten Jugendclique beinahe auf Abwege (Band 3). Vor allem dieser dritte Band wurde in der linksautonomen Szene zunächst hauptsächlich mit fast anerkennendem, ironischen Schmunzeln quittiert (einen derartig artistischen Aufschwung hätte man den grauen VS-Schlapphüten nämlich a priori nun wirklich nicht zugetraut) und er hat dann eine Reihe von kreativen Persiflagen inspiriert, bei der die Sprechblasen der Manga-Figuren einfach durch neue Botschaften ersetzt wurden (vgl. etwa ein laufender "Verfassungsschutz-Andi Remix Wettbewerb"). Die Linksautonomen jedenfalls fanden sich hier zumindest visuell nicht übel getroffen – bis hin zum gut beobachteten Detail, daß auch in der autonomen Szene (wie im politisch-medialen Berlin oder im Fantasy-Roman) inzwischen vor allem starke Anführerinnen das Sagen haben. Machen wir uns nichts vor: Die Lara Crofts, Vampyr-Ladies und Riot-Girls regieren heutzutage im Grunde immer mehr die Welt. Kürzlich eröffnete in den hiesigen Breiten zum Beispiel eine "Frauen-Antifa-Bar" und tauschte sich erst einmal über die charmante Frage aus: "Frauen in der Antifa – mehr als Lippenstift und Lederhandschuh?". Hier könnte nun Frau Köhler ihren Charme spielen lassen und den im Ministerium überraschend aufgetauchten Reptilienfonds gewinnbringend investieren. Etwa in einem Aufstiegsprogramm für junge Autonome-Antifa-Damen unter dem Motto "Mehr Lippenstift, aber weniger Lederhandschuh!" Denn letzterer fällt ja wahrscheinlich unters Vermummungsverbot …

Foto: Kristina Köhler im Bundestagswahlkampf 2009 in Wiesbaden / Sat.1 Regionalmagazin für Rheinland-Pfalz und Hessen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen