Freitag, 15. Januar 2010

Schon wieder muß der Gladiator ran



In Guttenbergs Hütte, sinnreich untergebracht im Bendler-Block heiligen Angedenkens, brennt's. Und weil der "Blitzkrieg-Minister"(FTD) nach dem St. Florians-Prinzip agiert, hat das Feuer auch schon auf andere Regierungs- und Parteigebäude in Berlin und Umgebung übergegriffen. Im Wirtschaftsministerium hat er sich ja auch schon versucht, und dort außer Sprücheklopfen und einem schmierigen Skandal wenig zustande gebracht. Die "Initiative für Neue Soziale Marktwirtschaft" präsentiert ihn auf einer Website übrigens auch jetzt noch als das “ordnungspolitische Gewissen der Bundesregierung”. If you can make it there, you can make it anywhere. So setzte der "Lothar Matthäus des Polittalks" im Verteidigungsministerium sein wirres Agieren fort. Zuerst deklarierte er das Kundus-Massaker als "militärisch angemessen", dann war’s schwuppdiwupp das Gegenteil – obgleich sich die Sachlage nicht substanziell geändert hat (und es von Anfang an sonnenklar war, daß Oberst Klein etliche Einsatzregeln mit Füßen getreten hat). Ähnlich hilflos und konfus wirkt Guttenbergs Einschätzung des westlichen Kriegseinsatzes in Afghanistan: Zuerst heimste er bei der Journaille viel Lob dafür ein, daß er von "kriegsähnlichen Zuständen" sprach, als Winterfrischler in Wildbad Kreuth ging der Ex-Gebirgsjäger und Jägersmann des verlogenen Geschwätzes dann plötzlich zur Sprachregelung "nicht-internationaler bewaffneter Konflikt" über (die offenbar schon seit November, vielleicht mußten hier ja auch wieder ein paar Lawfirm-Spezln ran, in der Pipeline war) . Ein nicht-internationaler Konflikt, an dem auf ISAF-Seite nicht weniger als 44 (in Worten: vierundvierzig, im Irak-Krieg waren es offenbar dreiundvierzig, mehr waren es nur in den beiden Weltkriegen) souveräne Staaten teilnehmen – ja geht's noch, mag man fragen, hat Freund Guttenberg jetzt völlig den Verstand verloren ?

Na ja, wie man mit Begriffen sophistisch Schindluder treibt, um auf Biegen und Brechen die schwächere Sache zur stärkeren zu machen (Aristoteles, Rhetorik II, 24, 9; 1402 a), hat er auf der Juristenfakultät gelernt (er ist ja seit 2007 ein irgendwie promovierter Doctor juris), und wenn man geistig dazu in der Lage ist, dasselbe Massaker an Zivilisten aufgrund identischer Faktenlage einmal als "angemessen", ein andermal als "unangemessen" zu beurteilen (als verkörpere man gleich zwei Gerichtsinstanzen in einer Person und als gelte für derlei Entscheidungen die freie Beweiswürdigung der StPO § 261, die nur für Gerichtsverhandlungen gilt, denn weder ist Guttenberg Richter, noch hat er hier irgendetwas gerichtsverhandelt, sondern nur mit seinen Mitarbeitern rumgehampelt, was damit endete, daß es ihm gelang, zwei von ihnen vor die Tür zu setzen), wenn man also dieses Opfer des gesunden Menschenverstandes hinkriegt, dann bringt man es natürlich auch fertig, ein Schlachtengetümmel von mindestens 44 Nationen semantisch in einen nicht-internationalen Konflikt zu verwandeln.

Hintergrund dieser dezisionistischen Sprach- und Machtspiele ist natürlich, daß Guttenberg seine eigene Haut politisch retten und seine Soldaten vor Strafverfolgung bewahren möchte, falls diese noch mehr Zivilisten töten. Mit letzterem mag er bei der Truppe vielleicht ein paar Punkte machen. Aber was seine Position zur von den USA geforderten Verstärkung der Bundeswehrtruppen betrifft, fährt er einen Zickzackkurs, denn er hat keine klare Einschätzung von dem, was in Afghanistan eigentlich zu tun oder zu lassen wäre: Zunächst war er vorgeprescht, um den USA die deutsche Bereitschaft zu einer solchen Aufstockung zu signalisieren, nun scheint er bereit, auf Seehofers, Westerwelles (und Merkels ?) Linie einzuschwenken, die diesem Ansinnen skeptisch gegenüberstehen – natürlich geht’s ihm dabei primär um den eigenen Machterhalt. Mit dieser Zickzackstrategie aber, und da liegt die Crux, hat Guttenberg die Regierung, der er angehört, mittlerweile in ein Tollhaus verwandelt. Beziehungsweise er ist auf dem besten Weg dorthin. Im politischen Berlin, in der CDU und sogar in der Linkspartei (von der zu Afghanistan bisher wenig zu hören war, wohin der Morbus Guttenberg aber auch irgendwie übergegriffen haben muß) herrscht jedenfalls ein fröhliches Tohuwabohu, an allen Ecken und Enden sind Löschtrupps unterwegs (das automobile Vermögen Deutschlands wird ja schon seit längerem abgefackelt oder abgewrackt), der Bedarf an Blitzableitern -- Guttenberg hat’s mit Schneiderhan & Co. vorgemacht -- steigt stündlich. Der derzeit bevorzugte Blitzableiter ist die "Scheinriesin zwischen Kampfzwergen"(Spiegel), Mama Merkel herself, und es kommt im Berliner Handgemenge gleichzeitig zu den seltsamsten Koalitionen, Volten und Umarmungsversuchen.

Nehmen wir nur die letzten Tage: Nachdem die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann mit zwei, drei aufmüpfigen Äußerungen zu Weihnachten und Silvester (die es aber, man lese einmal die berühmt-berüchtigte Neujahrspredigt selbst, dialektisch-theologisch durchaus in sich haben) plötzlich zur Buhfrau der Afghanistankrieg-Fanatiker geworden (man fragt sich jetzt noch, wie das zuging, sie kam zu diesem Status fast wie Jungfrau zum Kind) und die halbe politische Klasse über sie hergefallen war, versuchte der geschmeidige Guttenberg als Charmeur und sozusagen suaviter in modo zu punkten und lud die agile Frontfrau der Protestanten zum Kaffeekränzchen in sein Kriegsministerium ein.

War dieser im Studio Guttenberg ausgetüftelte Versuch, das Bodenpersonal des lieben Gottes zu umgarnen, nun ein PR-Erfolg für den Kriegsminister ? Nein, denn das Ganze war im wesentlichen nicht mehr als ein diplomatischer Höflichkeitsbesuch "zum Kennenlernen" (der übrigens hübsch sittsam unter Beiziehung von Sekundanten stattfand), die Bischöfin ließ sich den Schneid und ihre Kritik am Einsatz keineswegs abkaufen, und der vereinbarte weitere Gesprächsaustausch wird das Afghanistan-Thema im Gespräch halten. Wenn diese Diskussion demokratisch geführt wird, wird sie in eine andere Richtung laufen, als es sich der USA-hörige Minister wünscht – die Mehrheit der Deutschen ist nämlich gegen den Kriegseinsatz in Afghanistan. Gleich nach seinem Plausch mit dem protestantischen Bodenpersonal, mußte Guttenberg übrigens bei seiner eigenen Luftwaffe, die durch die ministerialen Kabalen wohl ziemlich verunsichert ist, gut’ Wetter und Boden gut machen. "Von der Bischöfin in die Transall, zum Antrittsbesuch auf dem Fliegerhorst im oberbayerischen Neuburg an der Donau - so robbt sich der 38-Jährige aus dem Schlamassel der vergangenen Wochen heraus", beschrieb der „Spiegel“ die Guttenberg’schen Kriechbewegungen. Am Freitag tauchte Guttenberg dann im Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr in Letzlingen auf. Wahrscheinlich wollte er hier schon mal das letzte Gefecht proben. Erfolgreiche PR sieht anders aus …


Vor allem aber sind der Bischöfin Käßmann mittlerweile nicht nur mehrere katholische Amtskollegen, etwa der Trierer Bischof Ackermann und überraschenderweise auch der (bislang eher konservativ profilierte) Augsburger Militärbischof Mixa, sondern auch CSU-Chef Seehofer, ja sogar die Bundeskanzlerin selbst beigesprungen. Auch wenn diese Statements als solche keineswegs ein klares Nein zum militärischen Engagement der Bundeswehr formulieren (auch Käßmann forderte ja lediglich einen möglichst baldigen Abzug der deutschen Soldaten, "weil dieser Krieg so nicht zu rechtfertigen" sei, und um die Position der Bundesregierung wird ja gerade heftigst gerungen), sind sie doch bemerkenswert. So hat Kanzlerin Merkel einem Focus-Bericht zufolge Käßmanns Intervention inzwischen verteidigt. „Ich glaube, daß die Einmischung in aktuelle politische Fragen begrüßt werden sollte von der Politik. Ich muß ja nicht jede Meinung teilen“, sagte die Regierungschefin am Donnerstag laut Bericht dem Fernsehsenders Phoenix. "Die Evangelische Kirche hat sich zu vielen Fragen eine Meinung gebildet und ich glaube, auch in der Katholischen Kirche ist das durchaus üblich."

Der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose hingegen, der als Mitglied oder Unterstützer des Lobbyisten-Clubs Atlantik-Brücke e.V. schon seit längerem treu an den Lippen des US-Imperialismus hängt und das Bundesverdienstkreuz ablehnte, weil sich so etwas nicht mit dem Profil eines stolzen "Hanseaten" verträgt, der offenbar nur seiner eigenen großbürgerlichen Kaste und ihren Netzwerken verpflichtet sein will, dieser Klose legte noch einmal gegen Käßmann nach. Einen schnellen Rückzug zu fordern, sei zu einfach gedacht, erklärte er am Donnerstag der "Bild"-Zeitung: "Wenn wir heute abziehen, sind in sechs Wochen wieder die Taliban an der Macht."


Woher weiß Klose das eigentlich so genau ?

Der "aufgeklärte US-Imperialist" und Nahost-Experte Thomas L. Friedman, der bei Bill Clinton noch einigermaßen Gehör fand, jetzt unter der Obama-Administration aber offenbar keinen Stich mehr macht gegen den militärisch-industriellen Komplex, hatte Ende Oktober in der "New York Times" differenzierter argumentiert:

"Was passiert, wenn wir unsere Präsenz in Afghanistan herunterfahren (shrink down) ? Wird das nicht dazu führen, daß Al-Qaida zurückkehrt, die Taliban einen Energieschub erhalten und Pakistan zusammenbricht ? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. (…). Im Mittleren Osten wird alle Politik – alles, was zählt – jeden Morgen von neuem erfunden (happens the morning after the morning after). Hier ist Geduld gefragt. Ja, wenn wir unsere Präsenz herunterfahren, werden die Taliban am Morgen danach Freudenfeste feiern, Pakistan wird erzittern und bin Laden wird sich mit einem Jubel-Video zu Wort melden. Doch am Tag nach diesem Tag danach, werden die Taliban-Fraktionen beginnen, sich untereinander zu bekämpfen, die pakistanische Armee wird ihre eigenen Taliban zerstören müssen, oder von ihnen zerstört werden, die afghanischen Kriegsherren werden das Land unter sich aufteilen, und wenn sich bin Laden aus seiner Höhle wagt, wird ihn eine Drohne erwischen. Ja, eine Truppenreduzierung schafft neue Bedrohungen, aber eine Aufstockung tut das ebenso. I’d rather deal with the new threats with a stronger America."

Wohlgemerkt: Friedman, ein eingefleischter Enthusiast der Globalisierung und einstiger Befürworter des Irak-Krieges, der noch 2003 forderte, „man müsse ins Herz der [arabischen] Welt gehen und deren Schädel einschlagen“ (inzwischen ist er in dieser Hinsicht zur Besinnung gekommen), argumentiert von einem rein US-amerikanischen Standpunkt aus. "Wir sind die Welt", lautet einer seiner Bekenntnissätze. "Ein starkes, gesundes und selbstbewußtes Amerika hält die Welt zusammen und auf einem anständigen Weg." Er befürchtet, daß sich US-Amerika mit dem "Wiederaufbau" Afghanistans ein "mindestens zwanzigjähriges Projekt" aufgeladen hat, in dem sich nur verschleißen, ja ausbluten kann. Sein Hauptargument, weshalb die im Irak angewendete Surge-Strategie ("Die Truppen aufstocken, den Krieg ausweiten, die Lage wenden, um dann möglichst schnell rauszugehen") in Afghanistan nicht funktionieren wird (ihr Erfolg ist ja auch im Irak viel zweifelhafter, als Friedman uns glauben machen will), dieses Hauptargument lautet, daß in Afghanistan letztlich die politischen Bündnispartner für diese Strategie fehlen.

Der amerikanische ISAF-Oberbefehlshaber McChrystal, der sich mit seiner Forderung nach 30.000 zusätzlichen Soldaten vorerst gegen die Friedman-Position durchgesetzt hat, bestätigte ihn aber genau in diesem Punkt, wenn er in einem „Spiegel“-Gespräch seine Interview-Partnerin Susanne Koelbl mit der Feststellung verblüffte (so nehmen wir mal an) , die hauptsächlichen Gefahren für die afghanische Zivilbevölkerung gingen keineswegs von "gegnerischen Verbänden" (also den Taliban) aus:

"Die eigentlichen Bedrohungen für die Menschen hier gehen eher von lokalen Machthabern aus, die Afghanen erleben die alltägliche Einschüchterung, die vielen Sprengfallen. Und davor können wir die Menschen nicht mit konventioneller Kriegführung schützen."


(Spiegel, Nr. 2, 11. Januar 2010, Seite 87)

Mit anderen Worten: Der Westen hat sich in Afghanistan so ziemlich im Gegner geirrt, er kämpft gegen die falschen „Feinde des Wiederaufbaus“.

Deshalb hier schon mal ein phantasievoller Vorschlag zur Güte:

Action-Star und Body-Builder Ralf Moeller, der laut “Spiegel Online” wild entschlossen ist, an der Seite von Verteidigungsminister Guttenberg nach Afghanistan zu reisen, übergibt seine „Fitness-Geräte im Wert von 30.000 Euro“ diesmal den Taliban und bietet ihnen auch gleichzeitig Kurse zum physischen Wiederaufbau an.

Das Motto sollte kurzgesagt lauten:

Friede, Freude, Fitness und Eierkuchen an allen Fronten.

Alles muß jetzt raus.

Und für weitere Vorschläge strengen wir dann unsere Gehirnmuskeln an.


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Foto: Action-Star Ralf Moeller und Verteidigungsminister zu Guttenberg im November 2009 / ddp

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