Was Florian Gerster unter der Woche treibt, ist bekannt. Von Montag bis Freitag ackert das SPD-Mitglied als Dienstleister am Arbeitsmarkt und als Vorkämpfer für einen möglichst schäbigen Niedriglohn, das heißt er organisiert zu diesem Zweck Streiks oder setzt Schriftsätze auf zum Wohle eines dubiosen Arbeitgeber-Vereins möglichst billiger Klitschen. Aber wie verbringt der Kerl den Rest der Zeit? Nun, für die letzten beiden Wochenenden läßt sich die Frage beantworten. Am Sonntag vor einer Woche, da saß der Profi der Nation bei der schönen Anne Will und machte sich stark für den modernen Menschenhandel (vulgo "Leiharbeit"). Und an diesem Samstag da bekam der Post-Profi dann in einer Postwurfsendung von der noch schöneren Mely Kiyak mal so richtig den Leiharbeiter-Blues geblasen. Und zwar wurde die hübsche Drucksache gleich doppelt aufgegeben (nicht nur in Frankfurt, sondern auch in Berlin), mit zweifacher geistig-moralischer Wegweisung:
"Sozialverträglich wäre es, wenn Sie auf der Stelle keine öffentlichen Auftritte mehr absolvieren würden. Und Ihr SPD-Parteibuch abgeben, Genosse Gerster !"
Gut gebrüllt, Löwin !
Eine elegante Lösung à la Clement, das wäre wirklich die nervenschonendste Lösung für alle Beteiligten, auch für den zuständigen SPD-Ortsverein bzw. Unterbezirk.
Denn nachdem Hartz IV-Gauner Gerster bei Anne Will hauptsächlich "fauligen Atem"(Stern) verbreitet hatte (Naserümpfen gab's sogar im "Handelsblatt" und in der "Welt", die über ihre Mutterkonzerne Holtzbrinck und Springer auch mit den Neuen Brief- und Zustell-Klitschen interessenmäßig verbandelt sind, Springer will die Bundesregierung im Zusammenhang mit der PIN-Insolvenz angeblich sogar verklagen), grummelt es jetzt auch an Gersters Wormser SPD-Heimatfront.
Leute wie Gerster hätten nicht nur treue Wähler und die SPD-Grundsätze, sondern die Wähler ganz allgemein "verraten und verkauft", erklärte Hans Herbert Rolvien, der örtliche Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), der "Wormser Zeitung" (Samstag-Ausgabe). Gerster sei ebenso wie Wolfgang Clement oder Ex-Kanzler Gerhard Schröder ein "Vertreter und Verteidiger der Ausbeuterfront", sagte der SPDler dem Blatt.
An Gerster werde nämlich deutlich, welche Verflechtungen es zwischen Regierung, Parteien, Politikern und der Wirtschaft gebe. "Führende Politiker und Bundestagsabgeordnete sitzen in Aufsichtsräten großer Firmen oder haben Beraterverträge, mit der Folge, daß hier eine durchaus vergleichbare Situation entstanden ist wie die verbotene Anwendung von Insiderwissen beim Aktienhandel – die informelle Korruption", so Rolvien weiter.
Auch bei dem örtlichen Ver.di-Chef und SPD-Mann Wolfgang Mayer sowie dem Wormser SPD-Chef Jens Guth haben die Redakteure des Lokalblatts in Sachen Gerster nachgehakt. "Wenn ich Florian Gerster im Fernsehen sehe, schalte ich ab", erklärte ihnen Ver.di-Boss Mayer, wollte dann freilich auch nicht alle Leiharbeitsfirmen in Bausch und Bogen verdammen. (Hintergrund ist natürlich, daß auch die DGB-Gewerkschaften sich mit diversen Tarifverträgen sowie ihrer Mindestlohn-Kampagne „Kein Lohn unter 7,50 Euro !“ bisher nicht mit Ruhm bekleckert haben, denn auch ein Mindestlohn von 7,50 Euro würde ja jenen unsäglichen, staatlich subventionierten Hungerlohn-Geschäftsmodellen à la TNT und PIN kein Ende setzen, die von vorneherein davon ausgehen, daß die Niedriglöhner mit Hartz IV etc. aufstocken, weil sich jedenfalls eine Familie damit nicht durchbringen läßt).
Noch etwas nuancierter und rücksichtsvoller äußerte sich freilich SPD-Chef und Ortsbaron Guth, der denn auch im rheinland-pfälzischen Landtag sitzt. Zwar verachte er Firmen wie Schlecker, die erst Leute rauswerfen und dann über Tochterfirmen zu wesentlich schlechteren Konditionen einstellen, das sei soziale Ausbeutung, aber um Spitzen abzufedern, sei Leiharbeit gar nicht schlecht. Und der Genosse baut dann in der Causa Gerster auch gleich schon mal vor: Man müsse es in einer großen Volkspartei respektieren, so Guth, wenn der Mann in anderer Funktion andere Positionen vertrete, denn Gerster habe sich auch große Verdienste erworben.
Ja welche denn eigentlich, außer daß Gerster als Charity Queen in eigener Sache den Wormser Jazz-Preis finanziert ? Sein kaum zweijähriges Gastspiel als "Sonnenkönig" und "Gernegroß" der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, untermalt von dubiosen Beraterverträgen im Volumen von 38 Millionen Euro, endete jedenfalls mit einem gigantischen Desaster. Und die Sache war mit seinem Abgang noch keineswegs ausgestanden. Unter Gersters Nachfolger und Ziehsohn Frank-Jürgen Weise stellte sich dann heraus, daß die Kosten für das grandiose IT-Projekt "Virtueller Arbeitsmarkt" (ursprünglich auf 65,5 Millionen Euro veranschlagt) sich in kurzer Zeit mehr als grandios verdoppelt hatten, so daß Weise gezwungen war, die Flucht nach vorne anzutreten und die Bundesanstalt beim Bundesrechnungshof quasi selbst anzuzeigen. Der entsprechende Vertrag mit der Firma Accenture war freilich noch in der Amtszeit Gerster abgeschlossen worden. Irgendwie wurde die Affäre, die durchaus Toll-Collect-Qualitäten hatte, dann aber mit ein paar Bauernopfern nach der Methode Guttenberg im Keim erstickt (Weise ist ja Ex-Fallschirmjäger-Offizier). Man hat jedenfalls nichts mehr davon gehört. Jedem, der die damals in den Arbeitsagenturen öffentlich installierten, völlig debilen Computer-Terminals auch nur einmal benutzt hat, war freilich sofort klar, daß hier ziemlich viele Leute ziemlich enormen Bullshit fabriziert hatten. Auch das eines der Verdienste Gersters ?
Am Samstag ließ es sich Gerster übrigens nicht nehmen, in der "Stuttgarter Zeitung" seine Ansichten zur Agenda 2010 und seine Arbeit-macht frei-Philosophie noch einmal im Zusammenhang darzulegen. Dem Genossen Sarrazin von der Bundesbank werden Gersters Ausführungen das Herz gewärmt haben, aber auch Schmuddel-Roland erhielt ein freundliches Wort ("Die Grundrichtung ist okay"). Lediglich Genosse Gerd bekam zu hören, er sei zwar "ein hochbegabter Instinktpolitiker" gewesen, nur halt leider etwas zu schwach, um dem in Deutschland herrschenden "Mangel an geistiger Führung" abzuhelfen.
Bei Lichte betrachtet, das heißt beim gegenwärtigen Stand der Lohnarbeit, der SPD und der doch sehr stabil in der Köpfen verankerten Überzeugung, daß sozial sei, was irgendwie Arbeit schafft (und sei's durch Abwracken oder ähnliche Beschäftigungstherapien) , weil "Wohlstand für alle" in einer kapitalistischen Welt nun mal nicht zu haben ist, ist das wohl schon ein bißchen ungerecht gegenüber dem Genossen Gerd.
Immerhin konnte der Fachmann für Basta & Gedöns doch schon 2005, genauer gesagt am 28. Januar 2005, Albrecht Müllers Nachdenkseiten haben gerade daran erinnert, den großkapitalitischen Vampiren des World Economic Forum und dem Obervampir Vasella (dessen österreichische Almhütte letztes Jahr übrigens mal gebrannt hat; hier der Bekennerbrief) im schneebedeckten Davos stramm Vollzug melden, als er dort mit stolzgeschwellter Brust verkündete:
"Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. …. Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut … Es hat erhebliche Auseinandersetzungen mit starken Interessengruppen in unserer Gesellschaft gegeben. Aber wir haben diese Auseinandersetzungen durchgestanden."
Na also, mission accomplished. Einen Tusch für Monster Gerd !
Foto: Deutsche Presseagentur (dpa)