Shakespeare, The Second Part of King Henry VI., Act IV, Scene 2
So geht’s zu im Kapitalismus: Der Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu
Guttenberg hat seinen 28-seitigen Gesetzentwurf zur staatlichen Zwangsverwaltung maroder Banken komplett von der britischen Großkanzlei
Linklaters ausarbeiten lassen. Also von jener internationalen Sozietät, die in der Fusionsberatung – dem juristischen Einfädeln milliardenteurer
Megadeals – weltweit inzwischen auf dem ersten Platz
rangiert. Und deren Anwälte natürlich nur darauf warten, daß weitere Kreditinstitute zusammenkrachen und dann, mithilfe ihrer nicht ganz billigen Beratungsleistungen, meistbietend an Finanzhaie, Heuschrecken und andere Tierchen verscherbelt werden können. Allein am Zusammenkehren der Scherben, die Lehman Brothers in der Londoner City hinterlassen haben, verdient Linklaters derzeit
2 Millionen Euro pro Woche. Da ist es natürlich von geldwertem Vorteil, wenn man die Gesetze, nach denen solche Mergers, Acquisitions oder Aufräumarbeiten abzuwickeln sind, gleich selber verfassen darf. Der aufgeklärte Neoliberale nennt derlei Selbstregulierung der Märkte bzw. Corporate Social Responsability. Die Regulierer sind auch zugleich die Regulierten. Marktwirtschaft ist jene Krankheit, für deren Therapie sie sich hält. So funktioniert Kapitalismus.
Für die diensthabenden Schmocks von der Journaille ist das alles freilich nichts Neues, sie wußten das schon, sie haben den "Lothar Matthäus des Polit-Talks" ja mit
vereinten Kräften zum Shooting Star
hochgejubelt, sie wissen, daß er viel zu tun hat (Platon im Original lesen, den
Piz Palü besteigen etc.) und so wurde die Meldung über Guttenbergs dreistes Bubenstück im politisch-medialen Berlin allenfalls mit Amüsement bis Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. Ja, genaugenommen wurde die Meldung nur deshalb auf den Newstickern für ein paar Schrecksekunden zur Nachricht, weil Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ nicht anstand, das Ganze in der Samstagsausgabe an die große Glocke zu hängen. Und ein bißchen auf die Pauke zu hauen mit einem markigen Stück, betitelt: „
Guttenbergs Großkanzlei – Der Minister läßt Gesetz von einer privaten Firma schreiben“.
Seinem Kollegen im SZ-Wirtschaftsressort hingegen, der das juristische Papierl wahrscheinlich direkt aus Guttenbergs Vorzimmer als kleine Aufmerksamkeit zugemailt bekam, war die infame Abkunft des Elaborats noch am Freitag nur
einen verquälten Halbsatz wert:
Der vom Wirtschaftsministerium zusammen mit der Wirtschaftskanzlei Linklaters ausgearbeitete Entwurf soll das Insolvenzrecht so anpassen, daß es künftig auch bei systemrelevanten Banken angewandt werden kann, ohne daß die Gefahr von Verwerfungen auf dem Finanzmarkt oder gar sein gänzlicher Zusammenbruch droht. (SZ, 6.8.2009)
Aber eben dieses Halbsätzchen muß nun offenbar den Jägerinstinkt geweckt haben im ehemaligen Staatsanwalt Prantl, der ja nicht nur seine Pappenheimer kennt, sondern auch die Strafprozeßordnung:
„Zur Ermittlung der Echtheit oder Unechtheit eines Schriftstücks sowie zur Ermittlung seines Urhebers kann eine Schriftvergleichung unter Zuziehung von Sachverständigen vorgenommen werden.“ (StPO § 93)
Prantl konsultierte also zunächst als Sachverständigen den Hamburger Professor Ulrich Karpen, den Vorsitzenden der Gesellschaft für Gesetzgebung, und marschierte dann schnurstracks rüber ins Wirtschaftsressort zwecks physischer Inaugenscheinnahme (StPO § 86) und politisch-philologischer Begutachtung (StPO § 72ff) des verdächtigen Schriftstücks. Pech für Sonnyboy Guttenberg, das sah ein Blinder mit dem Krückstock, daß hier nicht freiherrliche, sondern andere Pfoten am Werk gewesen waren:
„Auf dem Text, der den anderen Ministerien zugeleitet wurde, steht nicht nur „Entwurf 27. Juli 2009“, sondern auf jeder der 28 Seiten oben das Signum „Linklaters“."
Und der alte Logiker Prantl schloß messerscharf:
"Der Text ist anscheinend eins zu eins weitergeleitet geworden."
Mit anderen Worten: Wenn auf jeder Seite Linklaters drauf steht, dann ist auch auf jeder Seite nur Linklaters drin. Und nicht von und zu Guttenberg.
Chapeau !
Wie reagierten nun die klugen Köpfe von der FAZ-Wirtschaftsredaktion, der promovierte Strafrechtler Joachim Jahn und sein Berliner Adlatus Mihm, denen am späten Freitagnachmittag, wenn nicht die Lex Pseudo-Guttenbergensis in voller Pracht, so doch wenigstens die Prantlsche Entlarvungsschrift wohl bereits vorgelegen haben muß ? Sie riefen im Ministerium von Brigitte Zypries an, die bei dem besagten „Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes“ zusammen mit Steinbrück die sogenannte „Federführung“ (!) hat, und ließen sich mit einer ziemlich poetischen Auskunft abspeisen:
„Alter Wein in neuen Schläuchen“, heißt es im Justizministerium. Vier Monate habe das Wirtschaftsministerium das Modell, das die Anwaltskanzlei Linklaters in dessen Auftrag entwickelt habe, überarbeiten lassen. Doch die Schwächen, die Ministerin Zypries gerügt habe, seien nicht beseitigt worden. (FAZ, 8. 8. 2009, S. 12)
Mit anderen Worten: Ein Irrtum über Tatumstände im Sinne von StGB § 16 kann ausgeschlossen werden. Die ehrenwerte Frau Ministerin war vielmehr schon monatelang im Bilde, daß hier eine mit der internationalen Hochfinanz verbandelte Großkanzlei ein deutsches Gesetz zusammenschustert. Denn in ihrem Ministerium treibt es die Dame höchstwahrscheinlich genauso oder ähnlich. Auch sie appelliert natürlich gerne an den „externen Sachverstand“, wenn sie mit ihrem Juristenlatein einmal nicht mehr weiter weiß. Was öfters vorkommen dürfte. Aber dieses unter Insidern und Journalisten offene Geheimnis will man natürlich dem FAZ-Leser nicht zumuten. Äußerst schwach, ihr Weinnasen !
Denn auch hier hat sich der turbulente Dr. Prantl zumindest ein paar Meter weiter vorgewagt. Jedenfalls hat er das Acting in concert und die Parallelaktionen zwischen den Ministerien Zypries und Guttenberg folgendermaßen auf den Begriff zu bringen versucht:
"Das Miteinander hat sich nicht fruchtbar gestaltet; es gab Kommunikationsprobleme. Das Justizministerium arbeitet zur Reform des Insolvenzrechts an einem Konzept, das ein „privatautonomes Planverfahren“ mit privaten Verwaltern vorsieht. Die Details werden von jungen Spezialisten ausgearbeitet, die das Ministerium eingestellt hat. "
Das ist doch interessant: Die Justizministerin arbeitet also nicht nur an einem ganz anderen Konzept als der Wirtschaftsminister, sondern sie geht dabei auch etwas anders zu Werke als der Kollege, arbeitstechnisch gesehen: Bei Frau Zypries kriegen die Rechtsexperten, die ihr beim Paragraphen-Fabrizieren zur Hilfe eilen, gleich einen feschen Arbeitsvertrag. Insourcing statt Outsourcing ist bei der strengen Brigitte angesagt.
Was sind das aber nun für „junge Spezialisten“, die das Ministerium da eingestellt hat ? Kommen sie auch von Linklaters ? Oder von einer Konkurrenz-Kanzlei ? Oder sind’s am Ende junge Hüpfer von der Deutschen Bank ? Das hat nun leider auch der investigativ beschwingte Dr. Prantl so auf die Schnelle nicht mehr eruieren können. Falls er’s hier nicht hält wie die Kollegen von der FAZ: Man sagt nicht alles, was man weiß, sondern läßt sein Pulver lieber vornehm trocken ...
Immerhin verrät er uns noch folgendes:
"Das "Outsourcing" der Gesetzesproduktion ist in jüngerer Zeit durchaus Usus. Zuletzt hatte das Finanzministerium einen Rohling für das HRE-Enteignungsgesetz von der Kanzlei Freshfields ausarbeiten lassen. Aber bisher war es stets so, daß die Ministerien dies als Zuarbeit, als Arbeitsgrundlage verwendet haben. Dies wurde jedenfalls bei öffentlicher Kritik so behauptet. An der Nutzung externen Sachverstands ist im Grunde nichts einzuwenden, solange "die Legitimität beim Minister bleibt", so der Hamburger Professor Ulrich Karpen, Vorsitzender der Gesellschaft für Gesetzgebung. Das heißt: der Rohling darf nicht einfach als fertiger Text übernommen werden."
Na, das ist doch schön, daß man jetzt mal ganz nebenbei erfährt, daß auch die Brüder von
Freshfields bei der Vergabe von Gesetzesproduktionsaufträgen nicht ganz leer ausgehen. Aber hier hat der Ex-Staatsanwalt und Großkommentator Prantl dann am Ende offensichtlich doch wieder Angst vor der eigenen Courage bekommen, wie das öfters der Fall ist, wenn er verzwickte politische Rechtsmaterien zu kommentieren hat: Er verschanzt sich hinter einem Experten. Hätten die Linklaters-Anwälte also nur ihr Firmenlogo weggelassen und die Ministerialbeamten stattdessen den Entwurf mit ein paar eigenen Duftmarken oder einem Tropfen exekutiven Öls imprägniert, wäre Guttenberg nach dieser Logik im Prinzip fein heraus und alles in bester freiheitlich-demokratischer Ordnung.
Ist das aber – frei nach Heribert Prantl - keine „
verrückte Demokratie“, wenn private globale Rechtsfirmen Gesetze in der Rohfassung schreiben, die dann von Exekutive und Parlament nur noch ein bißchen veredelt werden ? Liegt hier kein „merkwürdiger, demokratiewidriger Striptease der Exekutive“ vor ? Welches Recht, welche Gesetze und Verwaltungsvorschriften gelten überhaupt, wenn Ministerien
Beratungs- oder sonstige Dienstleistungsverträge zur „Gesetzesproduktion“ abschließen ? Ist hier nur der Usus, also das Gewohnheitsrecht der Staatsexekutive, und ansonsten der
Bundesrechnungshof zuständig ? Und was
verbindet eigentlich den alerten
Wirtschaftsminister, der inzwischen ja schon als
Finanzminister gehandelt wird, mit jener famosen
Großkanzlei ?
Der ermordete Deutsche Bank-Sprecher Alfred Herrhausen schrieb einmal:
„Wir brauchen Berichterstattung und Kommentierung der Wirklichkeit, nicht der Unwirklichkeit. Wir müssen sagen, was ist. Bemühen wir uns also um Offenheit. Wir brauchen Glasnost für den Kapitalismus – auch und gerade für den Kapitalismus …“.