Montag, 31. August 2009

Granice - Riigipiirid - Fronteiras - Borders

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"Das Land Pommern ist in neun Hoheitsgebiete gegliedert. Das sind: Wenden, Kaschubien, Stettin, Pommern selbst, Usedom, Gotzgau, Wolgast, Rügen und Barth. Seine alten Grenzen folgen meist Gewässern, und zwar der Weichsel, der Warthe, der Peene und dem Meer. Dieses Land ist reich an Feldfrüchten, Vieh und Fischen. Es ist eben, Berge gibt es hier nicht. Alle bedeutenden Städte liegen am nämlichen Meer, das die Deutschen die Ostsee und die Livländer die Westsee nennen, je nach der Himmelsrichtung, in der es sich von ihnen befindet. Die See gibt hier just denselben goldgelben Augenstein von sich, wie sie es in Preußen, Kurland und angeblich am südlichsten Zipfel von Ösel tut."

Jaan Kross, Das Leben des Balthasar Rüssow (Kolme katku vahel), II. Buch, a. d. Estnischen übersetzt v. Helga Viira u. Barbara Heitkam, Berlin 1986 (zuerst Tallinn 1970-1980)
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"Sesam öffne dich - ich möchte hinaus !" - "Jedes Regime wird schließlich zum ancien régime."

Stanisław Jercy Lec, Myśli nieuczesane (Unkempt thoughts), zuerst Kraków 1957/1964

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Picture & inspiration from:

Confini amministrativi - Riigipiirid

Morbus Guttenberg oder Vom Saustall (2)

Auf der Website der "Bürgerrechtsbewegung Solidarität" (Helga Zepp-LaRouche) findet sich ein interessanter Beitrag, der einige Informationen über die Rolle der Großkanzleien im deutschen Wirtschaftsgeschehen zusammenstellt. Wir dokumentieren das Stück in der Form, in der es auch im Gelben Forum gepostet wurde:

Über Guttenberg und TSI

Abgesehen von der Frage persönlicher Verwandtschaftsgrade zwischen dem deutschen Wirtschaftsminister und einem der führenden Insolvenzexperten bei Linklaters liegt der eigentliche Skandal bei der "Linklaters"-Affäre darin, daß eben diese Rechtsanwaltsfirma, die vom Wirtschaftsminister mit der Ausarbeitung eines erneuerten deutschen Insolvenzrechtes beauftragt wurde, genau wieder zu den "Partnern " der berüchtigten TSI (True Sale International GmbH) gehört. Deren Aktivitäten ermöglichten bekanntlich erst, daß der Kollaps des internationalen Verbriefungsmarktes in Deutschland solch verheerende Folgen haben konnte, u. a. im öffentlichen Bankensektor.

Über Linklaters und weitere TSI-"Partner""

ABS (Asset Backed Securities) in Deutschland und TSI - die beiden Begriffe sind eng miteinander verbunden. Die True Sale International GmbH (TSI) "entstand 2004 aus einer Initiative von dreizehn Banken in Deutschland zur Förderung des deutschen Verbriefungsmarktes", so heißt es auf der TSI-Webseite. Dem ist hinzuzufügen - mit bereitwilliger Hilfe der Politik (Stichwort Asmussen). Neben anderen zählt TSI auf seiner Webseite als "Partner" außer Linklaters die Kanzleien HengelerMueller, White & Case, Mayer Brown, Norton Rose, Freshfields, Allan & Overy, Baker & McKenzie und Clifford Chance auf. Die britische Großkanzlei Linklaters hat für den Wirtschaftsminister den Enwurf zum "Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes" ausgearbeitet. Linklaters stand im vergangenen Jahr an der Spitze der Fusionsberater weltweit und ist eine globale "Rechtsfabrik" mit 2400 Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern mit Niederlassungen in Deutschland. Die Anwälte von Linklaters, an den größten Deals der Geschäftswelt beteiligt gewesen, hätten, so urteilte die SZ kürzlich, nun genug damit zu tun, sich um die Folgen des Übernahmefiebers zu kümmern, in dem sie eifrig mitgemischt haben. U. a. hat Linklaters die Schaeffler KG bei der Übernahme von Continental beraten und war an der Abwicklung des Konkurses von Lehman Brothers beteiligt.

Über Kolja von Bismarck, Lazard und RHJ

Der Anwalt und Insolvenzspezialist Kolja von Bismarck, der von der (ebenfalls zu den TSI-Partnern gehörenden) britischen Wirtschaftskanzlei Clifford Chance gerade zu Linklaters übergewechselt ist, sitzt im Aufsichtsrat der Adam Opel GmbH ; laut Presseberichten berät Clifford Chance Opel und Linklaters (Frankfurt) die finanzierenden Banken, die an der Opel-Rettung beteiligt sind. Vergessen darf man im Fall Opel allerdings nicht die zentrale, weil internationale Rolle der "feinen Herren von Lazard", die auf Initiative des Wirtschaftsministers das Treuhand-Modell für Opel ausgearbeitet haben sollen. Daß führende RHJ-Leute ihre frühere Karriere bei Lazard gemacht haben, kann da schon nicht mehr überraschen.

Über Freshfields

Aber bleiben wir bei Linklaters: von Bismarck ist befreundet mit Lars Westphal, der bei der Kanzlei Freshfields arbeitet. Diese arbeitete am HRE-Enteignungsgesetz maßgeblich mit und ist ebenfalls ein TSI Partner. Gemeinsam mit Westphal habe von Bismarck mehreren politischen Gremien in Berlin Vorschläge schon Anfang des Jahres Vorschläge zur Reform des Insolvenzrechts unterbreitet, so hieß es kürzlich in der FTD. Dazu schrieb dieselbe Zeitung im Januar, beide hofften auf Umsetzung ihrer Forderung, daß der Insolvenzverwalter in Zukunft von den Gläubigern und nicht von einem Richter bestimmt wird. Kolja von Bismarck ist auch Mitglied einer "Gesellschaft für Restrukturierung - TMA Deutschland e. V. " [TMA = Turnaround Management Association]. Die SPD-Bayern zitiert auf ihrer Webseite unter der Überschrift: "Woher kommt die Vorliebe des Ministers für die Wachstumsbranche Insolvenz?" das erklärte Ziel der TMA: „... in dem Bereich der Unternehmensrestrukturierung und -sanierung sowie der sanierenden Unternehmensinsolvenzen in der Bundesrepublik Deutschland unterstützend tätig zu werden und die internationale Zusammenarbeit ihrer Mitglieder sowie deren Fortbildung zu fördern. Im Interesse ihrer Mitglieder beabsichtigt die Gesellschaft, die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen dieses Berufsfeldes zu beeinflussen sowie für eine internationale Harmonisierung nachhaltig einzutreten."

Diese letzten Sätze liest man am besten zweimal.

Sonntag, 30. August 2009

Szenen einer Abschiebung

Flughafen Madrid, bei youtube gepostet am 16. Juni 2009

Über eine aktuell geplante Abschiebung von 120 algerischen Bootsflüchtlingen aus Spanien berichtet indymedia. Ausführliche Analysen zur repressiven Flüchtlingspolitik der EU bietet die Broschüre "Frontex - Widersprüche im erweiterten Grenzraum", hrsg. von der Informationsstelle Militarisierung e.V. , Tübingen, August 2009.

Samstag, 29. August 2009

Die Aeneide auf ukrainische Art geschildert

"Juno und Jupiter"

Illustration aus:

Ivan P. Kotljarevs'kyj, ENEÏDA NA UKRAJINS'KU MOVU PERELYCOVANA (Aeneide auf ukrainische Art), Kiew 1968 (zuerst Petersburg 1798)

Die nach dem Vorbild von Nikolaj Osipovs russischer "Aeneide" (Virgilieva Éneida, vyvoročennaja na iznanku, 1791) verfaßte Vergil-Travestie ist das erste Werk, das in einem gesprochenen ukrainischen Idiom gedruckt wurde, und begründete die moderne Literatur der Ukraine.

Nudo pectore. Das körperliche Argument

Martin Sonneborn, Die PARTEI, am 6. August 2009


Freitag, 28. August 2009

Back in N.Y.C.

Version von Jeff Buckley (1966-1997)

Original von
Genesis, The Lamb Lies Down on Broadway, veröffentlicht am 29. November 1974

Häftlingsrevolte und Jugendkrawalle in Brüssel


Im Gefängnis Saint-Gilles in Brüssel kam es gestern zum Versuch einer Häftlingsrevolte. Fünfzig Gefangene hätten sich gegen 16 Uhr 30 beim Hofgang mit Eisenstangen und Steinen bewaffnet, maskiert und hinter Betonblöcken verschanzt, berichtete „RTL info“ am Donnerstag. Massive Polizeikräfte von außerhalb hätten dann rasch eingegriffen und die Meuterei mithilfe einer Hundestaffel und Tränengas niedergeschlagen. Laut Bericht wurde niemand verletzt. Der Grund für die Meuterei sei nicht bekannt, hieß es.

Unabhängig davon kam es in den beiden vergangenen Nächten im Raum Brüssel auch zu größeren Zusammenstößen zwischen Jugendlichen und der Polizei. Laut „RTL info“ begannen die Vorfälle am späten Mittwoch-Nachmittag an der U-Bahn-Station Aumale in Anderlecht, im Südwesten Brüssels, wo Cops nach einem Handtaschendiebstahl Ausweiskontrollen durchführten. Zwanzig Jugendliche hätten mit Wurfgeschossen die Polizei angegriffen, die schließlich Verstärkung angefordert habe. Ein 25-Jähriger, der versucht habe, einem Polizisten die Waffe zu entreißen, sei von einem Polizeihund verletzt und schließlich verhaftet worden. Unter einem Hagel von Wurfgeschossen hätten die Cops dann den Rückzug angetreten. Kurz vor Mitternacht seien sie erneut zur Station Aumale gerufen worden, wo inzwischen die Rolltreppe gebrannt habe. Gleichzeitig seien in einem nahegelegenen Park vergrabene Pflastersteine, neun Molotow-Cocktails und Absperrgitter gefunden worden, hieß es.

In der Nacht zum Freitag setzten sich die Krawalle dann fort im Stadtteil Molenbeek (Brüssel-West), wo Feuerwehrleute beim Versuch, auf der Straße brennende Autoreifen zu löschen, von Jugendlichen angegriffen worden seien, wie die belgische Website „LaCapitale“ berichtete. Nach dem Eingreifen der Polizei mit Wasserwerfern hätten sich gegen 2 Uhr rund hundert maskierte Jugendliche zur Randale versammelt. Im Verlauf der nun folgenden Krawalle seien sechs PKWs, vier Polizeifahrzeuge sowie anderes Mobiliar beschädigt worden. Die Polizei habe zudem mehrere Nachtlokale geschlossen, um die Ruhe im Quartier wiederherzustellen. Auch in Anderlecht sei es in dieser Nacht zu ähnlichen Zwischenfällen (mit fünf demolierten Fahrzeugen) gekommen.

Die Ursache der Ausschreitungen sei unbekannt, verlautete bei der Polizei. Am Freitag sei jedoch ein Krisentreffen mit der Brüsseler Stadtverwaltung anberaumt worden, um über Präventivmaßnahmen nachzudenken. In Anderlecht ist die Situation offenbar schon seit mehreren Wochen angespannt. Jugendliche hätten hier mehrfach versucht, die Polizei auf bestimmte Straßen, auf denen Öl oder Benzin verteilt war, in den Hinterhalt zu locken, teilte die Brüsseler Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit.

Zusammenstellung der Meldungen bei Brèves du désordre.

Der Lord ist durchgeknallt


Neues aus der City of London, der weltgrößten Steueroase: Lord Adair Turner, früher bei McKinsey, Merrill Lynch und beim Kapitalistenverband CBI, jetzt aber Chef der britischen Finanzaufsicht, hatte dort ein Damaskus-Erlebnis. Er fordert die Einführung einer Tobin-Steuer auf Finanztransaktionen. Oder sagen wir mal: Er erwägt gemeinwohlwollend das Ganze. Sozusagen als Element einer Schrumpfkur. Beziehungsweise als finanzkapitalistische Abwrackprämie. Der globale Finanzsektor sei zu „aufgebläht“, meint Turner, das Geschäft sei über den Rahmen einer „sozial verantwortlichen Größe“ hinaus gewachsen und wirke volkswirtschaftlich destabilisierend. Und er formuliert allen Ernstes: „Ich glaube, ein Teil dessen ist sozialwirtschaftlich nutzloses Geschäft“.

Ja, was soll man dazu sagen ?

Die City war jedenfalls verblüfft, vor allem das britische Finanzministerium:

Mitarbeiter von Schatzkanzler Alistair Darling sagten, über derartige Steuern werde nicht nachgedacht.

Alle Welt zerbricht sich den Kopf über weniger oder mehr Netto vom Brutto, nur der Engländer tut das nicht. Im allgemeinen.

Eine Marxistin wird vielleicht sagen, nun, der ehrenwerte Lord schlägt sich im „Kampf der hervorbringenden gegen die aneignende Klasse“(MEW 17, 342) eben mal kurz, für den Augenblick eines Arguments und zur Imagepflege, auf die Seite der ersteren.

Ein Antideutscher hingegen muß hier sofort an Gottfried Feder und die Zinsknechtschaft denken.

Und die FAZ ?

Die FAZ war geschockt und mußte auch etwas im argumentativen Nähkästchen wühlen. Dort fand eine intelligente Frau, gerade noch rechtzeitig, das erlösende Argument: Eine Tobin-Steuer ist der falsche Weg!

"Unabhängig davon, daß sie unpraktikabel und global nicht durchsetzbar wäre: Gerade jetzt darf der Politik nicht noch eine Steuer in die Hand gegeben werden, die von der Regierung sofort mißbraucht würde, um Haushaltslöcher zu stopfen und den immer höheren Schuldenberg abzutragen. (FAZ, 28. 8. 2009, S. 9)

Der Staat kann nicht mit Geld umgehen, nur Kapitalisten können das.

Donnerstag, 27. August 2009

Thodoris Iliopoulos am 49. Tag seines Hungerstreiks freigelassen


Die Solidaritäts-Bewegung für Thodoris Iliopoulos war erfolgreich: Am 49. Tag seines Hungerstreiks wurde der griechische Aktivist auf Beschluß des Amtsgerichts Athen freigelassen, wie indymedia Athen/Germany am Nachmittag meldeten. Die Freilassung erfolgte laut Bericht ohne Kaution und gegen den Antrag eines Athener Staatsanwalts, der noch am Morgen die weitere Inhaftierung des 31-Jährigen gefordert hatte. Allerdings muß sich Thodoris nun alle vierzehn Tage auf dem örtlichen Polizeirevier melden und darf das Land nicht verlassen. Schon am letzten Freitag war er aus dem Koridalos-Gefängnis in das Athener Sotiria-Krankenhaus gebracht worden. Dort befindet er sich derzeit weiterhin. Eine für heute geplante Demonstration für seine Freilassung von anarchistischen Gruppen, Basisgewerkschaften und linken Gruppen soll wie geplant stattfinden. Neues Motto: Freiheit für alle !

Thodoris’ Freilassung ist ein großer Erfolg für die griechischen Anarchistinnen, die Mitte August sehr wirkungsvoll eine internationale Solidaritätskampagne für ihn ins Laufen gebracht hatten. Am letzten Montag fanden daraufhin nicht nur in dutzenden Städten Griechenlands, sondern auch in Moskau, Vilnius, Belgrad, Hamburg, London und San Francisco vielfältige Aktionen für seine Freilassung statt. Der Protest richtete sich dagegen, daß Iliopoulos seit acht Monaten unter äußerst fadenscheinigen Anschuldigungen in Untersuchungshaft festgehalten wurde.

Verhaftet worden war Thodoris am 18. Dezember während der wochenlangen Proteste nach dem Tod des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos, den Polizisten wegen eines Wortwechsels auf offener Straße erschossen hatten. Er galt als „der letzte Gefangene“ der Dezember-Riots, inhaftiert ist aber immer noch Nikos Tsouvalakis, der am gleichen Tag (10.Juli) wie Thodoris in den Hungerstreik getreten war. (Ihn beschuldigt die Polizei, in einem Plaisio-Shop, der größten Computer-Einzelhandelskette Griechenlands, Laptops gestohlen zu haben). Auch weitere Gefangene im Koridalos-Knast hatten in Solidarität mit Thodoris die Nahrung verweigert – so vier Gefangene, denen die Verbindung zur marxistisch beinflußten „Revolutionären Organisation 17. November“ vorgeworfen wird, oder der anarchistische Einzelgänger Nikos Kountardas. Alle fünf sind in einem Spezialtrakt des Koridalos-Gefängnisses untergebracht.

Unterdessen gehen auch die Aktionen des No Border-Camps auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos/Lesvos weiter. Am Morgen versuchten hundert Aktivistinnen, die Präfektur der Insel symbolisch zu besetzen. Am Abend sind in vier Dörfern Info-Veranstaltungen geplant. Am Tag zuvor waren aus dem völlig überfüllten Lesbos-Internierungslager Pagani statt der angekündigten 200 bisher erst 70 oder 80 Flüchtlinge freigelassen worden. Zugleich befinden sich auch auf der Insel Naxos Immigrantinnen im Hungerstreik.

Mittwoch, 26. August 2009

Dienstag, 25. August 2009

Feuer auch im ehemaligen Abschiebe-Gefängnis Zweibrücken


Nach dem Flughafen Rotterdam hat der Rote Hahn oder die Rote Henne nun auch den ehemaligen Abschiebeknast in Zweibrücken besucht. Als die Feuerwehr kurz vor halb neun Uhr eingetroffen sei, habe eine Holzbaracke des früheren Abschiebegefängnisses lichterloh in Flammen gestanden, berichtete der „Pfälzische Merkur“. Nach der ersten Besichtigung gehe die Polizei „mit Sicherheit von Brandstiftung“ aus. „Wie hätte das Feuer auch sonst ausbrechen können. Da ist kein Strom und nichts“, sagte der Zweibrücker Feuerwehrinspekteur nach Zeitungsangaben. Laut Bericht waren 90 Feuerwehrleute mit 17 Löschfahrzeugen im Einsatz.

Die Anlage mit rund 60 Plätzen, die isoliert in einem Waldgebiet im südlichen Stadteil Birkhausen liegt, wurde „indymedia“ zufolge zwischen 1996 und 2005 als Abschiebegefängnis genutzt. Insgesamt hätten hier 800 Menschen eingesessen, von denen ein Drittel wieder entlassen worden sei. Danach sei das Gefängnis im Zuge der Konzentration auf den jetzigen zentralen Abschiebeknast in Ingelheim (bei Mainz) geschlossen wurden. Seither habe es immer wieder Diskussionen um eine Umnutzung gegeben. Die Idee, den ehemaligen Abschiebeknast in ein Seniorengefängnis umzuwandeln, sei jedoch auf wenig Resonanz gestoßen.

Sonntag, 23. August 2009

Brandanschlag auf Baustelle des Abschiebeknasts am Airport Rotterdam


Eine anarchistische Gruppe hat offenbar einen gezielten Brandanschlag auf das in Bau befindliche Abschiebegefängnis am Rotterdamer Flughafen verübt. Ein großes Gebäude neben dem geplanten „Asylbewerberzentrum“ sei am Sonntag bei dem Brand völlig zerstört worden, berichtete die holländische Onlinezeitung „Blik op Nieuws“.

Bei der holländischen Feuerwehr war am Sonntagmorgen um fünf Uhr eine Brandmeldung eingegangen. Eine Gruppe namens „The Anarchist Fire“ hat in einem Bekennerschreiben inzwischen die Verantwortung für die Aktion übernommen.

Wie „Blik op Nieuws“ berichtete, sei die Feuerwehr mit großem Gerät angerückt und habe den Brand kontrolliert ausbrennen lassen. Um eine Ausbreitung des Brandes zu verhindern, hätten auch umliegende Gebäude unter Wasser gesetzt werden müssen. Ob das in Bau befindliche Gefängnis noch vertragsgemäß fertiggestellt werden könne, sei jetzt unklar. Das heute auf mehreren Websites (Indymedia Athens, Indymedia UK) veröffentlichte Bekennerschreiben, das den Titel trägt „Detention centre construction site firebombed!“, lautet in deutscher Übersetzung folgendermaßen:

Hallo,
in den frühen Morgenstunden des 23. August sabotierten wir den Bau eines neuen Abschiebegefängnisses für Migranten an der Fairoaksbaan, am Flughafen Rotterdam in den Niederlanden. Wir haben die Büros, in denen das Management der für das Projekt verantwortlichen Planungs-und Baufirmen untergebracht ist, in Brand gesetzt. Alle Unternehmen, die an der Planung, Gestaltung, Errichtung und Nutzung [dieses Abschiebegefängnisses] beteiligt sind, machen Profite mit der Inhaftierung von Menschen, die vor ihrer Abschiebung stehen. Sie unterstützen das repressive System, das die Würde von Migranten zu brechen, sie auszubeuten oder sogar zu ermorden sucht. Das Ziel unserer Aktion ist es, den Aufbau der Festung Europa zu stoppen. Sie wird gewiß nicht das letzte Unternehmen sein, um Mauern und Zäune einzureißen. Die Aktion wurde zeitlich so geplant, daß sie mit dem Beginn des internationalen No Border-Camps auf der griechischen Insel Lesbos zusammenfällt. Wir rufen alle auf, die Systeme in Brand zu setzen, die darauf abzielen, Menschen zu vernichten.
Mit ergebenen Grüßen,
Das Anarchistische Feuer“.

Englisches Bekennerschreiben:

Hello,
In the early hours of August 23rd we sabotaged the construction of a new migrant-detention centre at the Fairoaksbaan, Rotterdam Airport in The Netherlands. We set fire to the on-site offices used by the management of the planning and construction companies responsible for the construction. All companies involved in planning, design, construction and exploitation make a profit out of the incarceration of people, ahead of their deportation. They support the repressive system that seeks to break the dignity of migrants, exploit and even murder them. Our action is aimed at stopping the construction of Fortress Europe. It will certainly not be the last effort to break down walls and fences. The action was planned to coincide with the start of the international No-Border Camp on the Greek island of Lesvos. We call on everyone to set fire to the systems that seek to destroy people.
Yours truly,
The Anarchist Fire”.

Aktion am Frankfurter Flughafen gegen Abschiebung nach Kamerun am Dienstag


Indymedia, Linke Zeitung, Labournet und andere Medien berichten, daß am Dienstag (25. August 2009) am Frankfurter Flughafen eine Massen-abschiebung von Flüchtlingen nach Kamerun stattfinden soll. Hierbei soll unter anderem Felix Otto abgeschoben werden, der in Thüringen zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde, weil er mehrmals den ihm zugewiesenen Landkreis im Freistaat verlassen hatte. Wie die Rote Hilfe Göttingen mitteilte, sitzt Otto bereits seit Donnerstag als Abschiebehäftling, an Händen und Füßen gefesselt, in einer videoüberwachten Einzelzelle.

Der UnterstützerInnenkreis von Felix Otto ruft auf zu Solidarität und Protest am Frankfurter Flughafen. Treffpunkt ist Dienstag, 25. August, um 9 Uhr 30, am Frankfurt Rhein-Main Airport, vor der Halle B, an der Bushaltestelle.

Wir dokumentieren im folgenden den Aufruf der "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten":

„Stoppt die Abschiebung von Felix Otto!

Stoppt die Sammel-Abschiebung nach Kamerun, stoppt den Charter der Schande!

Eil-Faxaktion gegen die Abschiebung von Felix Otto:

Vorlage zum Download des Fax-Update vom 20. August 2009.

Der kamerunische VOICE-Aktivist Felix Otto, der im März 2009 in Suhl-Goldlauter / Thüringen zunächst wegen Residenzpflicht, dann als Abschiebegefangener inhaftiert wurde, soll zusammen mit anderen kamerunischen Flüchtlingen am Dienstag, den 25. August 2009, um 10 Uhr 40 mit einem Sammelcharter-Abschiebeflug von Frankfurt aus nach Kamerun abgeschoben werden.

Die Charter-Abschiebung soll dazu dienen, die Abschiebung unseres Freundes Felix Otto und anderer betroffener Flüchtlinge möglichst schnell und effektiv zu vollstrecken. Jenseits der Öffentlichkeit und ohne Chance auf Widerstand.

Ein Sammelcharter-Abschiebeflug bedeutet: Die Abschiebung wird unter Ausschluß jeglicher Öffentlichkeit - und seien es andere Passagiere - , die beobachten kann, was mit den Betroffenen passiert, vollzogen.

Der Widerstand der Flüchtlinge wird durch ein Großaufgebot von PolizistInnen gegebenenfalls mit brutaler Gewalt, unter Einsatz von Pfefferspray, Schlägen und Hunden, gebrochen. Jede Möglichkeit für die Flüchtlinge, durch Protest im Flugzeug ihre eigene Abschiebung zu stoppen, soll gewaltsam im Keim erstickt werden. Der Willkür sind Tür und Tor geöffnet.

Felix Otto wurde vor 5 Monaten wegen Verstoß gegen das rassistische Residenzpflicht-Gesetz inhaftiert, weil er seinem Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit Gebrauch gemacht hat. Sein Fall hat viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregt und viele Menschen haben den Kampf für seine Freiheit unterstützt. Trotzdem ist die verantwortliche Ausländerbehörde Schleiz, im Saale-Orla Kreis (Thüringen), fest entschlossen, Felix Otto verschwinden zu lassen.

Das wollen wir nicht zulassen! Wir rufen euch auf:

Kommt am Dienstag, 25. August, um 9 Uhr 30, am Flughafen Frankfurt/Main zur Bushaltestelle vor der Halle B, zur Protestaktion gegen die Abschiebung von Felix Otto und gegen die Sammel-Abschiebung nach Kamerun !

Der Charter der Schande darf nicht abheben! Felix Otto und alle anderen kamerunischen Flüchtlinge müssen bleiben!

Abschiebungen stoppen, Residenzpflicht abschaffen!

Schickt massenhaft Protest-Faxe gegen die Abschiebung von Felix Otto! "

Quellen:
Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten (Aktionsaufruf)
Rote Hilfe (Hintergrund zu Kamerun)
Indymedia (Artikel vom 23. 8. 2009)
Labournet (Dossier)
Linke Zeitung (Artikel vom 22. 8. 2009)
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POSTSCRIPTUM:

Am 25.8.2009 um 10.40 wurde der VOICE-Aktivist Felix Otto trotz Protesten mit einer Air France Maschine über Paris nach Douala/Kamerun abgeschoben. Zuvor hatten etwa 35 Personen in einer Kundgebung auf dem Flughafengelände lautstark gegen seine Abschiebung nach Kamerun und gegen die Kollaboration des Airports und der Air France mit den deutschen Abschiebebehörden demonstriert. Wie The Voice berichtet, erfolgte der Transport zum Flugzeug abgeschirmt. Im Flugzeug wurde er, wie Passagiere berichteten, von BGS-Beamten unter Kontrolle gehalten und in Paris sofort der französischen Polizei übergeben.

Freitag, 21. August 2009

Vera Icona oder Das mütterliche Argument





Jean Fouquet (* um 1420 in Tours; † zwischen 1478 und 1481)

« La Vierge et l'Enfant entourés d'anges » (vers 1452-1455)

Technique: Painting on wood.

Dimensions: 94,5 x 85,5 cm.

Current location: Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen, Belgien.

Stilsynthese der franko-flämischen Tradition um 1400 und der italienischen Frührenaissance. Le visage de la vierge est celui d'Agnès Sorel, maîtresse du roi Charles VII.

Donnerstag, 20. August 2009

Thodoris Iliopoulos heute im Athener Attikon-Krankenhaus untersucht

Der inhaftierte griechische Aktivist Thodoris Iliopoulos, seit 42 Tagen im Hungerstreik, wurde heute erstmals in eine Klinik außerhalb des Athener Koridalos-Gefängnisses gebracht. Trotz der Zusicherung am Morgen, er werde in eine reguläre Klinik verlegt, sei jedoch sein Aufenthalt in der Attikon-Klinik nur vorübergehend gewesen, berichtete die Solidaritätsinitiative für seine Freilassung am Donnerstag. Im Tagesverlauf habe man den 31-Jährigen wieder bei glühender Hitze in einem gepanzerten Polizeifahrzeug in das Gefängniskrankenhaus zurückeskortiert, hieß es. Hingegen hatte der untersuchende Arzt noch am Mittwoch die Überstellung des Gefangenen in ein staatliches Hospital verlangt.

Iliopoulos befindet sich seit acht Monaten in Untersuchungshaft, weil ihn zwei Polizisten beschuldigen, während den Athener Dezember-Protesten nach dem Tod von Alexandros Grigoropoulos Molotow-Cocktails und Steine geworfen zu haben. Die gegenteiligen Aussagen von Journalisten und Studenten, die seine Unschuld bestätigten, wurden im bisherigen Ermittlungsverfahren hingegen vollständig ignoriert.

Immerhin gewinnt die Solidaritätsbewegung für Thodoris Iliopoulos jetzt etwas an Breite. In Griechenland sind neben linken Initiativen und Organisationen in den vergangenen Tagen auch die Gewerkschaft ADEDY, Rechtsanwälte, Medien wie die Tageszeitungen „Eleftherotypia“ und „Avgi“ sowie politische Parteien für den Gefangenen aktiv geworden. So hatten zwei Abgeordnete der linken SYRIZA-Parteienkoalition, G. Banias und Th. Dritsas, den vom Hungerstreik stark geschwächten Iliopoulos im Gefängnis besucht und seine sofortige Freilassung gefordert. „Man kann einen Beschuldigten nicht solange in Untersuchungshaft halten, wenn die einzigen Belastungszeugen Polizisten sind und andere Zeugen das Gegenteil aussagen“, erklärte Banias.

Auch der Präsident der Anwaltskammer von Thessaloniki, Manolis Lamtzidis, hat sich inzwischen für den Gefangenen eingesetzt und in einem Brief an Justizminister Nicos Dendias die Verlegung des 31-Jährigen in ein normales Krankenhaus gefordert. „Wenn Thodoris Iliopoulos stirbt, sind wir alle mitverantworlich“, heißt es in seinem Schreiben.

Des weiteren haben Iliopoulos’ Anwälte heute beim Gericht erneut seine Freilassung gegen Kaution beantragt. Es ist jedoch unklar, ob darüber noch vor dem Internationalen Aktionstag für Thodoris am Montag entschieden wird. An diesem Tag soll in Athen um 20 Uhr vor der Universität in Athen vor der Universität (U-Bahn Panepistimio) ein Solidaritätskonzert für seine Freilassung stattfinden. Auch in anderen Städten wurden Veranstaltungen angekündigt.

In Hamburg wird am Montag, den 24. August, um 20 Uhr eine Kundgebung VALENTINSKAMP / NEUE ABC-STRASSE stattfinden!


AUFRUF FÜR HAMBURG

Solidarität ist eine Waffe, Aufstand ist ein Argument!

Montag, 24.08.09 – 20:00 Uhr

Solidaritätskundgebung Ecke VALENTINSKAMP / NEUE ABC-STRASSE

wir fordern

Freiheit für Thodoris Iliopoulos,
Freiheit für alle politischen Gefangenen,
in Griechenland, in Deutschland und überall!


Neueste Meldungen über Thodoris Iliopoulos:

- Indymedia Athen (English/Greek)

- Occupied London (English)

- Anarchist Black Cross Berlin (Deutsch)

Medizinisches Bulletin über Thodoris Iliopoulos am 41. Tag seines Hungerstreiks


(Es handelt sich um den Untersuchungsbericht des Arztes, der Thodoris am 19. August im Athener Koridalos-Gefängnis untersuchte):

"Heute untersuchte ich Herrn Theodoros [so im griechischen Original] Iliopoulos im Krankenhaus der Haftanstalt Koridalos (Athen) am 41. Tag seines Hungerstreiks. Er hat beträchtlich (über 20 Prozent) an Körpergewicht und auch bedeutend an Muskelgewicht verloren. Heute wiegt er 47, 7 Kilo. Er ist sichtlich erschöpft, bleich und leidet unter Tachykardie [Herzrasen]. Es fällt ihm schwer, gleichmäßig zu gehen und länger zu stehen.

Seine Untersuchung ergab, daß er unter niedrigem Blutdruck und orthostatischer Hypotonie [kreislaufbedingtem Blutdruckabfall] leidet. Er erwähnte eine Beinahe-Ohnmacht am 18. August. Die Laborergebnisse zeigen einen verlängerten Zustand ernsthafter Unterernährung, mit niedrigen Cholesterin-, Urin-, und Kreatinin-Werten, wobei sein Blut ingesamt betroffen ist (wenige Leukozyten, Umkehrung in der Verteilung der Leukozyten, verminderte Thrombozytenzahl). Infolge eines Vitamin-A-Mangels ist es angeraten, daß er unverzüglich Eviol A1X1-Kapseln bekommt.

Zusammenfassend: Er [Thodoris Iliopoulos] ist in unmittelbarer Gefahr, nicht nur wegen drohenden Komplikationen im Herz-Kreislauf-System, zentralen Nervensystem und an den Augen, sondern auch infolge erhöhter Infektionsgefahr. Unbedingt erforderlich ist seine Überstellung in ein staatliches Krankenhaus, um eine Behandlung durch verschiedene Fachärzte und, falls nötig, seine Erholung zu ermöglichen."

Anmerkung des Übersetzers: Die letzte Formulierung mit der „Erholung“ (oder "Wiederherstellung", "Gesundung", "Rehabilitation") war mir nicht ganz klar. Auch ein Arzt und ein griechischer Muttersprachler, die mir bei der Übersetzung halfen, konnten diese Stelle nicht völlig aufklären. Vielleicht ist das vom (Gefängnis-)Arzt bewußt zynisch formuliert worden: Das hieße dann, sie rechnen in der Justizanstalt kaltblütig mit Thodoris’ Tod, und lassen das auch bewußt durchblicken, vielleicht in der Absicht, ihn zum Aufgeben zu bringen.

Quellen:

Englische Übersetzung

Griechisches Original

Neueste Meldungen über Thodoris Iliopoulos auf Englisch

Mittwoch, 19. August 2009

Aktionstag Thodoris Iliopoulos am 24. 8.


Thodoris Iliopoulos, seit 40 Tagen in Athen im Hungerstreik

Der Gesundheitszustand von Thodoris Iliopoulos, der bei den griechischen Dezember-Protesten verhaftet wurde, spitzt sich gefährlich zu. Er wird jetzt bereits seit acht Monaten unter absurden Anschuldigungen im Athener Koridalos-Gefängnis festgehalten. Zusammen mit einem zweiten Aktivisten, Nikos Tsouvalakis, befindet er sich seit vierzig Tagen im Hungerstreik, um die Freilassung aus der Untersuchungshaft zu erreichen. Bei einer medizinischen Untersuchung am gestrigen Dienstag konnte ihm nicht mehr genügend Blut abgenommen werden. Inzwischen wurde auch die Anwältin Marouska Spiraki verhaftet, weil in sie in einem Athener Gericht mit Plakaten und Slogans demonstrativ ihre Solidarität mit Iliopoulos bekundet hatte. Zuvor waren weitere Insassen der Athener Haftanstalt Koridalos aus Protest in den Hungerstreik getreten.

Thodoris Iliopoulos war am 18. Dezember 2008 bei den Athener Ausschreitungen nach dem Tod des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos, den Polizisten wegen eines Wortwechsels auf offener Straße niedergeschossen hatten, festgenommen worden. Die Anklagebehörde beschuldigt Thodoris, Steine und Molotow-Cocktails auf Polizisten geworfen zu haben. Er hat diesen Vorwurf, der sich lediglich auf Polizeiaussagen stützt, von Anfang an bestritten. Nachdem seine siebenmonatige Untersuchungshaft im Juli erneut verlängert wurde, trat er in den Hungerstreik. Iliopoulos und Tsouvalakis, dem Diebstahl eines Laptops vorgeworfen wird, sind die beiden letzten Gefangenen, die wegen der Athener Dezember-Revolte noch in Untersuchungshaft sitzen. Alle anderen damals Festgenommenen wurden inzwischen freigelassen.

Die Website „Occupied London“ hat gestern folgenden Aufruf veröffentlicht:

"INTERNATIONALE SOLIDARITÄTSINITIATIVE FÜR THODORIS ILIOPOULOS

AUFRUF ZUM AKTIONSTAG FÜR DIE SOFORTIGE FREILASSUNG VON THODORIS ILIOPOULOS, IM HUNGERSTREIK SEIT DEM 10. JULI

Am Aktionstag wird Thodoris am 45. Tag im Hungerstreik sein, seine Situation ist sehr kritisch.

Wir rufen alle solidarischen Gruppen auf, ihre Aktionen – Propaganda, Infoaktionen, Demonstrationen – zu koordinieren, die auf die sofortige Freilassung von Thodoris aus der Untersuchungshaft abzielen. Aus diesem Grund haben wir Montag, den 24. August, um 20 Uhr als Datum festgelegt, an dem wir unsere Stimmen und unsere Stärke vereinen wollen, um die sofortige Freilassung des hungerstreikenden Thodoris Iliopoulos zu erreichen.

Als Teil dieser Aktion organisiert die Solidaritätsinitiative für Thodoris Iliopoulos am Montag, 24. August, um 20 Uhr ein Solidaritätskonzert in Athen vor der Universität (U-Bahn Panepistimio).

Kämpft für seine Verteidigung und Freilassung ! Unsere Unterstützung ist Thodoris’ Atem !

Laßt seine Stimme überall auf der Welt erklingen !!"

Sources:

Interview mit Thodoris: Deutsch Englisch (15. August 2009)

Deutsche Thodoris-Seite von ABC Berlin

Irregular Updates after the Greek Riots (Translations)

Article about Thodoris & Greek Riots ("Palestine Telegraph", 16. 8. 09)

Greek Site for Thodoris Iliopoulos

Voices of Resistance from Occupied London

Dienstag, 18. August 2009

65. Jahrestag der Ermordung Thälmanns



Ernst "Teddy" Thälmann (16. April 1886 - 18. August 1944)

Der "typische Sohn des deutschen Volkes", so DDR-Präsident Wilhelm Pieck, wird am 16. April 1886 in Hamburg-Altona geboren. Als jugendlicher Transportarbeiter tritt Ernst Thälmann der SPD bei und wechselt während des Krieges zu den Kommunisten. Er erobert den Vorsitz der hamburgischen KPD und kämpft 1925 bei der Reichspräsidentenwahl als Spitzenkandidat der deutschen KP. Weil er die Unterschlagungen eines Günstlings gedeckt haben soll, wird Thälmann 1928 von der KPD entmachtet. Nach direkter Intervention Stalins kann er an die Parteispitze zurückkehren und die Säuberungsaktionen des Sowjet-Diktators gegen KPD-Abweichler und Sozialdemokraten anführen: "Die KPdSU unter Führung des Genossen Stalin zeigt uns den Weg, die rechten Opportunisten und feigen Versöhnler zu schlagen." Zwei der engsten Mitkämpfer Thälmanns reisen nach Moskau und verschwinden spurlos. 1932 tritt der KP-Chef erneut bei der Reichspräsidentenwahl gegen Hitler an und wird am 30. Januar 1933, dem ersten Tag der Nazi-Herrschaft, verhaftet.

Das Ermittlungsverfahren gegen Ernst Thälmann wird nach fast drei Jahren aus Beweismangel eingestellt. Unmittelbar danach nimmt ihn die SS in "Schutzhaft" und hält ihn sechs Jahre lang völlig isoliert in Hannover gefangen. Gesinnungsgenossen kämpfen im ganzen Reich unter Lebensgefahr für die Entlassung Thälmanns. Mehrere Befreiungsversuche werden geplant und schließlich durch Thälmanns Verlegung ins Zuchthaus Bautzen verhindert. Am 14. August 1944 unterschreibt Hitler in der Wolfsschanze das Todesurteil gegen den Kommunistenführer, der auch nach elf Jahren Haft jeden Kompromiß mit dem NS-Regime ablehnt. Drei Tage später wird Thälmann von Gestapo-Männern ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht und dort am 18. August 1944, kurz nach Mitternacht, im Krematorium von einem SS-Kommando erschossen.

Durch Zeugenaussagen eines früheren KZ-Häftlings wird einer der Tatbeteiligten nach dem Krieg als Wolfgang O. identifiziert. Von 1962 an werden sieben Ermittlungsverfahren gegen den inzwischen in Geldern als Lehrer tätigen, früheren SS-Scharführer angestrengt - und niedergeschlagen. Erst ein von Thälmanns Tochter Irma durchgefochtenes Klageerzwingungsverfahren kann 1986 das Landgericht Krefeld zur Prozeßeröffnung gegen O. bewegen. Das Urteil lautet auf vier Jahre Haft wegen Mord-Beihilfe, wird aber umgehend vom dritten (politischen) Strafsenat des Bundesgerichtshofes kassiert. Im Wiederaufnahmeverfahren erkennt das Landgericht Düsseldorf dann 1988 endgültig auf Freispruch für Wolfgang O.

Text: Westdeutscher Rundfunk (WDR)

Ein Würdigung Ernst Thälmanns findet sich auch hier und auf der Website der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD). Der Erhalt der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals (bei Königs Wusterhausen, südöstlich von Berlin) ist derzeit bedroht. Dort findet am Sonntag, den 23. August 2009, um 11 Uhr 30 eine Kundgebung im Gedenken an Ernst Thälmann statt.

Rudolf Heß-Gedenktag comme il faut

Ein Ereignis, das in den bürgerlichen Medien ja auch eher unterbelichtet blieb, war am gestrigen Montag der 22. Todestag von Rudolf Heß. Sie wissen schon, der legendäre Friedensattentäter …

Na, wenigstens meldete dpa gestern um 15 Uhr 46:

Neonazi-Parolen zu Rudolf Heß in Spandau entdeckt

Am Jahrestag der Selbsttötung von Rudolf Heß sind Neonazi-Parolen auf dem früheren Gelände des Kriegsverbrecher-Gefängnisses in Berlin-Spandau entdeckt worden. Neben den Parolen malten die unbekannten Täter auch den Kopf von Heß auf den Parkplatz eines Einkaufzentrums. Die Parolen wurden am Montag beseitigt, teilte die Polizei mit.

Um welche Parolen es sich hier genau handelte, wurde natürlich nicht mitgeteilt. Auch die Polizei hat das hoffentlich ganz schnell vergessen.

Immerhin aber war es in Chemnitz rund 20 Leuten europäischer Abstammung gelungen, sich im Zuge eines sogenannten Flashmobs ungestört auf der Treppe des Rathauses zu versammeln, denn Polizei und Antifa hatten sich offenbar erst später, bei strömenden Regen, am völlig falschen Ort, dem berühmt-berüchtigten Karl-Marx-Denkmal, getroffen. So konnten unsere wackeren Europäer in aller Ruhe ihr – wie es einer formuliert - „Schärflein ins Trockene bringen“ und die vorletzten Worte ihres Helden, gesprochen am 31. August 1946 vor dem Nürnberger Militärgerichtshof, noch einmal prononcieren:

“Stünde ich wieder am Anfang, würde ich wieder handeln wie ich handelte, auch wenn ich wüßte, daß am Ende ein Scheiterhaufen für meinen Flammentod brennt. Gleichgültig was Menschen tun, dereinst stehe ich vor dem Richterstuhl des Ewigen. Ihm werde ich mich verantworten, und ich weiß, er spricht mich frei.”

Es gelang den Gedenk-Trüpplern sogar, die Aktion zu filmen und ins Netz zu stellen. Sie waren’s dann zufrieden:

Polizei und Antifa sorgen also dafür, daß die Problematik Rudolf Heß wieder ins Gespräch kommt. An den Orten, die WIR ihnen vorgeben, auf ihre Kosten.

Anderenorts hatte beim Rudolf Heß-Gedenken aber eindeutig die Antifa die Nase vorn, zum Beispiel am Südrand des Ruhrpotts, oder genauer gesagt: im nordwestlichen Sauerland, wo in der Stadt des Lichts zu nachtschlafender Zeit eine nette, kleine Totenfeier anhob, wie „indymedia“ in aller Herrgottsfrühe exklusiv berichten konnte:

In Lüdenscheid haben AntifaschistInnen, den 22. Todestag des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß, mit einer kleinen Feier begangen. Bei dem antifaschistischen "Leichenschmaus", wurde der Nazi-Mythos vom Mord im Gefängnis mit Hilfe einer Torte ironisch aufgegriffen. Die Veranstaltung war gut besucht und dauert zur Stunde noch an.

Doch nicht nur im Sauerland ließ es die Hedonistische Linke krachen, auch am Main stieg eine Party für Heß, den Bruchpilot, wie einer der Partygäste "indymedia" mitteilte:

Auch in Frankfurt am Main hatten die Nasis einen Flashmob angekündigt vor dem Galeria Kaufhof, also direkt an der Hauptwache auf der Haupt-Einkaufsmeile Zeil. Kurz vor 19:30 Uhr hatten sich über 100 AntifaschistInnen versammelt und genossen bei Bierchen und Geschwätz den Sommerabend. Auch einige IG-Metall-Fahnen waren deutlich sichtbar. Nazis haben sich denn auch keine erkenntlich gezeigt.

Schlecht erzogen, diese Neonasen.

Warum die Ökonomen die Finanzkrise nicht vorausgesehen haben

"Die Mehrzahl der Ökonomen (...) hütete sich, gegen den Boom im Finanzsektor zu argumentieren. Denn direkt oder indirekt leben auch sie davon bestens. Das gilt nicht nur für die Volkswirte, die bei Banken, Fonds oder Versicherungen arbeiten. Auch die an Universitäten angestellten Volkswirte, die Betriebswirte ohnehin, bemühen sich in der Mehrzahl immer, den Finanzkonzernen zu gefallen. Das gilt umso mehr, wenn die Lehrstühle von Banken mitfinanziert werden. Daß Professor Bert Rürup, der langjährige Chef des Sachverständigenrats, des wichtigsten Gremiums zur ökonomischen Politikberatung, direkt zum Finanzdienstleister AWD gewechselt ist, erklärt, warum über die von der Finanzbranche ausgehenden Gefahren geschwiegen wird.

Noch entschiedener wird die Realität von jenen verdrängt, die in Hierarchien weiter oben angesiedelt sind oder gar regulatorische Entscheidungsbefugnis haben. Sie haben die riesige Spekulationswelle verniedlicht, die erkennbare Instabilität des weltweiten Finanzgebäudes geleugnet und die unglaublich hohe Profitabilität des Finanzsektors für ein Zeichen von Gesundheit, nicht von unhaltbaren Zuständen gehalten. Unter den Notenbanken war diejenige noch am kritischsten, die keine Entscheidungsbefugnis hat, nämlich die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Aber selbst deren realistisch-düstere Analysen mündeten weder in einer eindeutigen Ursachenanalyse noch gar in einer Handlungsempfehlung für eine rigorose Kontrolle des Finanzsektors."

( = Lucas Zeise, "Wahrheit unerwünscht", in: Financial Times Deutschland, 18. August 2009. Die Kolumne Zeises, der auch in der Zeitschrift "lunapark21" regelmäßig publiziert, erscheint jeden zweiten Dienstag in der FTD. Sehr lesenswert ist sein Buch "Ende der Party. Die Explosion im Finanzsektor und die Krise der Weltwirtschaft", PapyRossa-Verlag, Köln 2008.)

Montag, 17. August 2009

Deutsch-amerikanischer Kommentar

"In den irakischen Städten verschwinden die Spuren der amerikanischen Besatzung“, meldet der Rüb vom Potomac (FAZ, 17. 8. 2009, S. 8). Zuerst war er Jugoslawien-Korrespondent mit Sitz in Budapest, nun ist er Irak-Reporter mit Sitz in Washington. Das nennt man berufliches Fortkommen.

Sonntag, 16. August 2009

Glossarium === Augiasstall ===

烂摊子 oder làntānzi = ein wildes Durcheinander, Augiasstall, Saustall.

激浊扬请 oder jīzhuóyángqing = einen Augiasstall säubern.

oder luàn = durcheinander.

, lì, qīng, oder hùn = Saustall, Schweinestall.

(= baBla. Deutsch-chinesisches Wörterbuch)


***

Mein Lieblings-Basrelief: Athene zeigt
Herakles mit einem Nicken ihrer Helmzier-
Die Lanzenspitze auf den exakten Punkt geführt -,
Wo er den Fluß anstechen soll; Alpheios steigt
Aus seinem Bett und strömt in die Miststrohschichten
Von König Augias' gestankumhüllten Ställen.
Süße Entfestigungen durch die Wasserschnellen,
Die schäumend Türen räumen, Böden schlichten ...
Und es war da in Olympia, zwischen grünen Weiden
Und lautrem Wasser, rieselnd über Flußbettsteine,
Wo wir von der Ermordung Sean Browns hörten,
Im Klubhaus des Bellaghy FC. Und meinten,
Wasser aus Schläuchen hart auf den Asphalt
Krachen zu hören, wo sein Sportlerblut erkaltet.

(= Seamus Heaney, "Der Augiasstall" , in: Elektrisches Licht/Electric Light. Gedichte - zweisprachig, übersetzt von Giovanni und Ditte Bandini, Hanser: München 2002)


***

Darauf schickte ihn [Herakles] der König Eurystheus zur fünften Arbeit fort, die eines Helden wenig würdig war. Er sollte den Viehhof des Augias in einem einzigen Tage ausmisten.

Augias war König in Elis und hatte eine Menge Viehherden. Sein Vieh stand nach Art der Alten in einer großen Verzäunung vor dem Palaste. Dreitausend Rinder waren da geraume Zeit gestanden, und so hatte sich seit vielen Jahren ein unendliche Menge Mist angehäuft, den nun Herakles zur Schmach und, was unmöglich schien, in einem einzigen Tage hinausschaffen sollte.

Als der Held vor den König Augias trat und, ohne etwas von dem Auftrage des Eurystheus zu erwähnen, sich zu dem genannten Dienste erbot, maß dieser die herrliche Gestalt in der Löwenhaut und konnte kaum das Lachen unterdrücken, wenn er dachte, daß einen so edlen Krieger nach so gemeinem Knechtsdienste gelüsten könne. Indessen dachte er bei sich: Der Eigennutz hat schon manchen wackeren Mann verführt, es mag sein, daß er sich an mir bereichern will. Das wird ihm wenig helfen. Ich darf ihm immerhin einen großen Lohn versprechen, wenn er mir den ganzen Stall ausmistet, denn er wird in dem einen Tage wenig genug hinaustragen. Darum sprach er getrost: "Höre, Fremdling, wenn du das kannst und mir an einem Tage all den Mist herausschaffst, so will ich dir den zehnten Teil meines ganzen Viehstandes zur Belohnung überlassen.

Herakles ging die Bedingung ein, und der König dachte nun nicht anders, als daß er schaufeln anfangen würde. Herakles aber, nachdem er zuvor den Sohn des Augias, Phyleus, zum Zeugen jenes Vertrages genommen hatte, riß den Grund des Viehhofs auf der einen Seite auf, leitete die nicht weit davon fließenden Ströme Alpheos und Peneos durch einen Kanal herzu und ließ sie den Mist wegspülen und durch eine andere Öffnung wieder ausströmen

So vollzog er einen schmachvollen Auftrag, ohne zu einer Handlung sich zu erniedrigen, die eines Unsterblichen unwürdig gewesen wäre.

Als aber Augias erfuhr, daß dies von Herakles im Auftrag des Eurystheus geschehen sei, verweigerte er den Lohn und leugnete geradezu, ihm versprochen zu haben; doch erklärte er sich bereit, die Streitsache einem richterlichen Spruche anheimzustellen. Als die Richter beisammen saßen, das Urteil zu fällen, trat Phyleus, von Herakles aufgefordert, auf, zeugte gegen seinen eigenen Vater und erklärte, daß dieser allerdings über einen Lohn mit Herakles übereingekommen sei. Augias wartete den Spruch nicht ab, er ergrimmte und befahl dem Sohne wie dem Fremdling, sein Reich auf der Stelle zu verlassen.

Später kehrte Herakles zurück, eroberte Elis, tötete Augias und übergab das Königreich dem Phyleus. Zur Feier dieses Sieges führte er außerdem die Olympischen Spiele zu Ehren seines Vaters Zeus ein.

(= Gustav Schwab, Die schönsten Sagen des klassischen Altertums (1838-1840), Herder: 3.Auflage Freiburg/Br. 1965, S. 123-124 und Wikipedia. Die antike Erzählung findet sich bei Apollodorus Mythographus, II, 5, 5 , Diodorus Siculus, Βιβλιοθήκη 'Iστορική , IV, 13, 3, tr. Loeb Library p. 387, und Pausanias Periegeta, Beschreibung Griechenlands, V, 1, 9)

Samstag, 15. August 2009

Glossarium === Porcus, Schwein ===

PORCUS, I, das Schwein = Cunnus virginalis, χοιρoς. Auch συς, δελφαξ.

Marcus Terentius Varro, Res rusticae (Landwirtschaft) II, 4, 17: „Porcus Graecum est nomen antiquum, sed obscuratum, quod nunc eum vocant χοιρoν“.

Diese Bezeichnung soll darauf zurückzuführen sein, daß die Sau von allen Tieren die größte Gebärmutter habe, also ein Hinweis auf die in der Ehe zu leistende Arbeit.

(Das Wort δελφαξ = porcus wird von δελφύς = uterus abgeleitet).

Συφειος, ό = der Schweinestall. „Als jene dies empfangen und geschlürft, griff sie zur Rute, schlug auf sie ein und zwang sie in den Schweinekoben (κατά συφεοισιν). Sie wurden Schwein an Kopf, an Stimme, Haaren und Gestalt, allein ihr Geist (νους) blieb so wie einst“ (Odyssee, X, 237-240). „Soon in the luscious feast themselves they lost,/ And drank oblivion of their native coast./ Instant her circling wand the goddess waves,/ To hogs transforms them, and the sty receives.” (Alexander Pope, 1713).

"The sty should be constructed about three feet high, and a little more than that across, at such a height from the ground that if the sow when pregnant should try to jump out, she will not cast her young. The height of the pen should be such that the swineherd can easily look around it, to prevent the little pigs from being crushed by the mother" (Varro, Res Rusticae, II, 4, 14; tr. Loeb Library, p. 361).

Horaz (Quintus Horatius Flaccus) sagt von einem wollüstigen Schlemmer: porcus de grege Epicuri (Briefe I, 4, 16). Den Schimpfnamen wendet der Dichter im Scherz auf sich selber an. Er fordert den trübsinnigen Tibull auf, sich mit ihm, dem Schweine aus dem Stalle Epikurs, dem Wohlbehagen hinzugeben: Me pinguem et nitidum bene curata cute vises,/Cum ridere voles, Epicuri de grege porcum.

Quelle:

„Glossarium Eroticum“, herausgegeben von Dr. Gaston Vorberg, Verlag Müller & Kiepenheuer, Hanau Main, ohne Jahr, Seite 510-511 (und andere Wörterbücher)

Freitag, 14. August 2009

Morbus Guttenberg oder Vom Saustall


"So herrscht nun allenthalben ein Durcheinander. Niemand weiß noch richtig in Berlin, in welcher Form die einzelnen Ministerien sogenannten externen Sachverstand einsetzen: mal mit, mal ohne Stempel, mal am Sitz der auswärtigen Entscheidungshelfer, mal am Schreibtisch „im Hause“, an dem aber mit verblüffender Selbstverständlichkeit ein Fremder sitzt, der seinen guten Rat mal entgeltlich, mal unentgeltlich, aber möglicherweise stets nachhaltig gibt. "

(Georg Paul Hefty, „Sachverstand“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. August 2009, Seite 8)

Mittwoch, 12. August 2009

In der Politik humort es gewaltig

Wer soufflierte dem letzten Live-Rock'n'Roller der deutschen Politik ?

Es waren die Satire-Eminenzen von der "Titanic".

Behauptet jedenfalls Ex-SPIEGEL-Kapitän Stefan Aust, der kürzlich als Business Developper bei der WAZ-Gruppe angeheuert hat und dort nun um ein humoral-politologisches Gutachten gebeten wurde:

"Der beliebteste Politiker unserer Tage ist Horst Schlämmer. Können wir Politik nur noch als Comedy ertragen?

Stefan Aust: Ich habe mich unheimlich darüber gefreut - vor allem weil er Journalist ist. Normalerweise stehen die Journalisten auf der Beliebtheitsskala ganz weit hinten.

Das Projekt hat Zukunft.

Stefan Aust: Unbedingt. Wissen Sie, daß Joschka Fischer als Parlamentsneuling sehr witzige Reden gehalten hat? So weit ich weiß, sind sie ihm damals von dem Team der "Titanic" geschrieben worden.

Unsere Politik braucht mehr Humor.

Stefan Aust: Ganz eindeutig."

Montag, 10. August 2009

Glossarium === Mamma, Mutterbrust ===

MAMMA, AE, griechisch μαστός, τιτθός, Mutterbrust, Busen, Mutter, Hügel, auch Brust des Mannes.

Plautus, Pseudolus 5, 1, 16ff (1261): Ubi mammam mammicula opprimit aut, si lubet, corpora conduplicantur. Wenn sich Brust an Brüstchen schmieget und nach Lust die Leiber sich vereinen.

Hesekiel (Ezechiel) 23, 21: Et visitasti scelus adulescentiae tuae, quando subacta sunt in Aegypto ubera tua, et confractae mammae pubertatis tuae. Und du sehntest dich, Oholiba, nach der Unzucht deiner Jugend, als dir die Ägypter den Busen drückten und deine jugendlichen Brüste betasteten. And thou hast renewed the wickedness of thy youth, when thy breasts were pressed in Egypt, and the paps of thy virginity broken.

MAMMILARE, IS, die Busenbinde.

MAMMOSUS, A, UM, mit schwelgenden Brüsten.

Martial, Apophoreta/Mitzunehmende Geschenke (= Epigramme XIV) 149. Von der Brustbinde, für die schneeige Brust zarter Mädchen bestimmt, nicht aber für die Brüste üppiger Matronen.

Mammosas metuo; tenerae me trade puellae,
Ut possint niveo pectore lina frui.

Zu üppig wogende Brüste fürcht’ ich; schmiegt mich an eine zarte Jungfer, damit mein Tuch ihren Schneebusen genießen kann.

I fear those whose development is large: give me to some tender maiden, that the linen of which I am formed may delight in her snow-white charms.

Quelle:

„Glossarium Eroticum“, herausgegeben von Dr. Gaston Vorberg, Verlag Müller & Kiepenheuer, Hanau Main, ohne Jahr, Seite 326 (und andere Wörterbücher)

Sonntag, 9. August 2009

So macht Kapitalismus richtig Spaß oder Wenn Anwälte Gesetze schreiben


Dick the butcher: The first thing we do, let’s kill all the lawyers.
Jack Cade, a rebel: Nay, that I mean to do. Is not
this a
lamentable thing, that of the skin of an innocent lamb should
be made parchment ? that parchment, being scribbled o’ver,
should undo a man ? Some say the bee stings: but I say, ‘tis the
bee’s wax; for I did but seal once to a thing, and I was never
mine own man since.
Shakespeare, The Second Part of King Henry VI., Act IV, Scene 2

So geht’s zu im Kapitalismus: Der Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg hat seinen 28-seitigen Gesetzentwurf zur staatlichen Zwangsverwaltung maroder Banken komplett von der britischen Großkanzlei Linklaters ausarbeiten lassen. Also von jener internationalen Sozietät, die in der Fusionsberatung – dem juristischen Einfädeln milliardenteurer Megadeals – weltweit inzwischen auf dem ersten Platz rangiert. Und deren Anwälte natürlich nur darauf warten, daß weitere Kreditinstitute zusammenkrachen und dann, mithilfe ihrer nicht ganz billigen Beratungsleistungen, meistbietend an Finanzhaie, Heuschrecken und andere Tierchen verscherbelt werden können. Allein am Zusammenkehren der Scherben, die Lehman Brothers in der Londoner City hinterlassen haben, verdient Linklaters derzeit 2 Millionen Euro pro Woche. Da ist es natürlich von geldwertem Vorteil, wenn man die Gesetze, nach denen solche Mergers, Acquisitions oder Aufräumarbeiten abzuwickeln sind, gleich selber verfassen darf. Der aufgeklärte Neoliberale nennt derlei Selbstregulierung der Märkte bzw. Corporate Social Responsability. Die Regulierer sind auch zugleich die Regulierten. Marktwirtschaft ist jene Krankheit, für deren Therapie sie sich hält. So funktioniert Kapitalismus.

Für die diensthabenden Schmocks von der Journaille ist das alles freilich nichts Neues, sie wußten das schon, sie haben den "Lothar Matthäus des Polit-Talks" ja mit vereinten Kräften zum Shooting Star hochgejubelt, sie wissen, daß er viel zu tun hat (Platon im Original lesen, den Piz Palü besteigen etc.) und so wurde die Meldung über Guttenbergs dreistes Bubenstück im politisch-medialen Berlin allenfalls mit Amüsement bis Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. Ja, genaugenommen wurde die Meldung nur deshalb auf den Newstickern für ein paar Schrecksekunden zur Nachricht, weil Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ nicht anstand, das Ganze in der Samstagsausgabe an die große Glocke zu hängen. Und ein bißchen auf die Pauke zu hauen mit einem markigen Stück, betitelt: „Guttenbergs Großkanzlei – Der Minister läßt Gesetz von einer privaten Firma schreiben“.

Seinem Kollegen im SZ-Wirtschaftsressort hingegen, der das juristische Papierl wahrscheinlich direkt aus Guttenbergs Vorzimmer als kleine Aufmerksamkeit zugemailt bekam, war die infame Abkunft des Elaborats noch am Freitag nur einen verquälten Halbsatz wert:

Der vom Wirtschaftsministerium zusammen mit der Wirtschaftskanzlei Linklaters ausgearbeitete Entwurf soll das Insolvenzrecht so anpassen, daß es künftig auch bei systemrelevanten Banken angewandt werden kann, ohne daß die Gefahr von Verwerfungen auf dem Finanzmarkt oder gar sein gänzlicher Zusammenbruch droht. (SZ, 6.8.2009)

Aber eben dieses Halbsätzchen muß nun offenbar den Jägerinstinkt geweckt haben im ehemaligen Staatsanwalt Prantl, der ja nicht nur seine Pappenheimer kennt, sondern auch die Strafprozeßordnung:

„Zur Ermittlung der Echtheit oder Unechtheit eines Schriftstücks sowie zur Ermittlung seines Urhebers kann eine Schriftvergleichung unter Zuziehung von Sachverständigen vorgenommen werden.“ (StPO § 93)

Prantl konsultierte also zunächst als Sachverständigen den Hamburger Professor Ulrich Karpen, den Vorsitzenden der Gesellschaft für Gesetzgebung, und marschierte dann schnurstracks rüber ins Wirtschaftsressort zwecks physischer Inaugenscheinnahme (StPO § 86) und politisch-philologischer Begutachtung (StPO § 72ff) des verdächtigen Schriftstücks. Pech für Sonnyboy Guttenberg, das sah ein Blinder mit dem Krückstock, daß hier nicht freiherrliche, sondern andere Pfoten am Werk gewesen waren:

„Auf dem Text, der den anderen Ministerien zugeleitet wurde, steht nicht nur „Entwurf 27. Juli 2009“, sondern auf jeder der 28 Seiten oben das Signum „Linklaters“."

Und der alte Logiker Prantl schloß messerscharf:

"Der Text ist anscheinend eins zu eins weitergeleitet geworden."

Mit anderen Worten: Wenn auf jeder Seite Linklaters drauf steht, dann ist auch auf jeder Seite nur Linklaters drin. Und nicht von und zu Guttenberg.

Chapeau !

Wie reagierten nun die klugen Köpfe von der FAZ-Wirtschaftsredaktion, der promovierte Strafrechtler Joachim Jahn und sein Berliner Adlatus Mihm, denen am späten Freitagnachmittag, wenn nicht die Lex Pseudo-Guttenbergensis in voller Pracht, so doch wenigstens die Prantlsche Entlarvungsschrift wohl bereits vorgelegen haben muß ? Sie riefen im Ministerium von Brigitte Zypries an, die bei dem besagten „Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes“ zusammen mit Steinbrück die sogenannte „Federführung“ (!) hat, und ließen sich mit einer ziemlich poetischen Auskunft abspeisen:

„Alter Wein in neuen Schläuchen“, heißt es im Justizministerium. Vier Monate habe das Wirtschaftsministerium das Modell, das die Anwaltskanzlei Linklaters in dessen Auftrag entwickelt habe, überarbeiten lassen. Doch die Schwächen, die Ministerin Zypries gerügt habe, seien nicht beseitigt worden. (FAZ, 8. 8. 2009, S. 12)

Mit anderen Worten: Ein Irrtum über Tatumstände im Sinne von StGB § 16 kann ausgeschlossen werden. Die ehrenwerte Frau Ministerin war vielmehr schon monatelang im Bilde, daß hier eine mit der internationalen Hochfinanz verbandelte Großkanzlei ein deutsches Gesetz zusammenschustert. Denn in ihrem Ministerium treibt es die Dame höchstwahrscheinlich genauso oder ähnlich. Auch sie appelliert natürlich gerne an den „externen Sachverstand“, wenn sie mit ihrem Juristenlatein einmal nicht mehr weiter weiß. Was öfters vorkommen dürfte. Aber dieses unter Insidern und Journalisten offene Geheimnis will man natürlich dem FAZ-Leser nicht zumuten. Äußerst schwach, ihr Weinnasen !

Denn auch hier hat sich der turbulente Dr. Prantl zumindest ein paar Meter weiter vorgewagt. Jedenfalls hat er das Acting in concert und die Parallelaktionen zwischen den Ministerien Zypries und Guttenberg folgendermaßen auf den Begriff zu bringen versucht:

"Das Miteinander hat sich nicht fruchtbar gestaltet; es gab Kommunikationsprobleme. Das Justizministerium arbeitet zur Reform des Insolvenzrechts an einem Konzept, das ein „privatautonomes Planverfahren“ mit privaten Verwaltern vorsieht. Die Details werden von jungen Spezialisten ausgearbeitet, die das Ministerium eingestellt hat. "

Das ist doch interessant: Die Justizministerin arbeitet also nicht nur an einem ganz anderen Konzept als der Wirtschaftsminister, sondern sie geht dabei auch etwas anders zu Werke als der Kollege, arbeitstechnisch gesehen: Bei Frau Zypries kriegen die Rechtsexperten, die ihr beim Paragraphen-Fabrizieren zur Hilfe eilen, gleich einen feschen Arbeitsvertrag. Insourcing statt Outsourcing ist bei der strengen Brigitte angesagt.

Was sind das aber nun für „junge Spezialisten“, die das Ministerium da eingestellt hat ? Kommen sie auch von Linklaters ? Oder von einer Konkurrenz-Kanzlei ? Oder sind’s am Ende junge Hüpfer von der Deutschen Bank ? Das hat nun leider auch der investigativ beschwingte Dr. Prantl so auf die Schnelle nicht mehr eruieren können. Falls er’s hier nicht hält wie die Kollegen von der FAZ: Man sagt nicht alles, was man weiß, sondern läßt sein Pulver lieber vornehm trocken ...

Immerhin verrät er uns noch folgendes:

"Das "Outsourcing" der Gesetzesproduktion ist in jüngerer Zeit durchaus Usus. Zuletzt hatte das Finanzministerium einen Rohling für das HRE-Enteignungsgesetz von der Kanzlei Freshfields ausarbeiten lassen. Aber bisher war es stets so, daß die Ministerien dies als Zuarbeit, als Arbeitsgrundlage verwendet haben. Dies wurde jedenfalls bei öffentlicher Kritik so behauptet. An der Nutzung externen Sachverstands ist im Grunde nichts einzuwenden, solange "die Legitimität beim Minister bleibt", so der Hamburger Professor Ulrich Karpen, Vorsitzender der Gesellschaft für Gesetzgebung. Das heißt: der Rohling darf nicht einfach als fertiger Text übernommen werden."

Na, das ist doch schön, daß man jetzt mal ganz nebenbei erfährt, daß auch die Brüder von Freshfields bei der Vergabe von Gesetzesproduktionsaufträgen nicht ganz leer ausgehen. Aber hier hat der Ex-Staatsanwalt und Großkommentator Prantl dann am Ende offensichtlich doch wieder Angst vor der eigenen Courage bekommen, wie das öfters der Fall ist, wenn er verzwickte politische Rechtsmaterien zu kommentieren hat: Er verschanzt sich hinter einem Experten. Hätten die Linklaters-Anwälte also nur ihr Firmenlogo weggelassen und die Ministerialbeamten stattdessen den Entwurf mit ein paar eigenen Duftmarken oder einem Tropfen exekutiven Öls imprägniert, wäre Guttenberg nach dieser Logik im Prinzip fein heraus und alles in bester freiheitlich-demokratischer Ordnung.

Ist das aber – frei nach Heribert Prantl - keine „verrückte Demokratie“, wenn private globale Rechtsfirmen Gesetze in der Rohfassung schreiben, die dann von Exekutive und Parlament nur noch ein bißchen veredelt werden ? Liegt hier kein „merkwürdiger, demokratiewidriger Striptease der Exekutive“ vor ? Welches Recht, welche Gesetze und Verwaltungsvorschriften gelten überhaupt, wenn Ministerien Beratungs- oder sonstige Dienstleistungsverträge zur „Gesetzesproduktion“ abschließen ? Ist hier nur der Usus, also das Gewohnheitsrecht der Staatsexekutive, und ansonsten der Bundesrechnungshof zuständig ? Und was verbindet eigentlich den alerten Wirtschaftsminister, der inzwischen ja schon als Finanzminister gehandelt wird, mit jener famosen Großkanzlei ?

Der ermordete Deutsche Bank-Sprecher Alfred Herrhausen schrieb einmal:

„Wir brauchen Berichterstattung und Kommentierung der Wirklichkeit, nicht der Unwirklichkeit. Wir müssen sagen, was ist. Bemühen wir uns also um Offenheit. Wir brauchen Glasnost für den Kapitalismus – auch und gerade für den Kapitalismus …“.

Samstag, 8. August 2009

Kann die globale Kernschmelze des Kapitalismus eine Revolution auslösen ?

„Could the Global Meltdown Spark a Great Revolution ?” fragt sich der US-Journalist Ben Protess in einem Artikel, der einen Blick auf Massenbewegungen der Vergangenheit wirft.

Freitag, 7. August 2009

ArbeiterInnen fordern Verstaatlichung und Selbstkontrolle von Rußlands größtem Autobauer

Russische Lada-ArbeiterInnen haben am Donnerstag gegen Kurzarbeit, Entlassungen und für die die Verstaatlichung ihres Unternehmens unter Kontrolle der Belegschaft demonstriert. Insgesamt hatten sich 2000 Beschäftigte vor den Werkstoren des Autobauers AvtoVaz in Togliatti an der Wolga (900 Kilometer südöstlich von Moskau) zu einer mehrstündigen Protestkundgebung versammelt. "Laßt die Fabrik dem Staat gehören und nicht privaten Eignern", forderte der Gewerkschaftschef Pjotr Solotarjew, der die unabhängige Gewerkschaft „Yedinstvo“ („Einheit“) vertritt.

Am 6. August 2009 demonstrierten im russischen Togliatti an der Wolga etwa 2.000 AutomobilarbeiterInnen des Autokonzerns AvtoVaz (Lada) gegen Kurzarbeit, Entlassungen und für die Verstaatlichung ihres Unternehmens unter Kontrolle der Belegschaft.


Die Parolen und Transparente der Protestler richteten sich insbesondere gegen AvtoVaz-Chef Boris Aljoschin und den Gouverneur des Wolga-Distrikts Samara, Wladimir Artjakow, der 2006/2007 den Autobauer geleitet hatte. Demonstranten trugen ein Schild mit der Aufschrift „Diebe ins Gefängnis (Artjakow und Aljoschin)“. Die offizielle Gewerkschaft von AvtoVaz, welcher der Großteil der Arbeiter angehört, war dem Meeting ferngeblieben.

Hintergrund der Proteste sind Befürchtungen, das Unternehmen wolle im Zuge der Automobilkrise ein Viertel der Belegschaft (rund 27.000 Arbeiter) entlassen. Seit dem 3. August sind die Arbeiter beurlaubt, da die Fließbänder bei AvtoVaz für einen Monat stillgelegt wurden. Ab September ist Kurzarbeit bei halbiertem Lohn geplant.

Togliatti ist eine Autostadt wie Wolfsburg. Große Teile wurden erst in den Sechziger Jahren aus dem Boden gestampft. 1964 wurde sie nach dem italienischen Kommunistenführer Palmiro Togliatti benannt. In den 1990er- und 2000er-Jahren erlebte die Stadt eine Welle der organisierten Kriminalität sowie zahlreiche Mafia-Kriege rund um AvtoVaz und galt als eine der am meisten kriminalisierten Städte Rußlands. Putin bediente sich dann der staatlichen Technologie- und Rüstungsholding Rostechnologii, um AvtoVaz unter Kontrolle zu bringen. Rostechnologii, die russische Investmentbank Troika Dialog und der Autokonzern Renault besitzen jeweils ein Viertel der Aktien des Autobauers. Renault hatte letztes Jahr 1, 17 Milliarden Dollar für seinen Einstieg bei AvtoVaz bezahlt.

Die Schlacht um Ssangyong Motor ist zu Ende

Die militante Fabrikbesetzung bei dem südkoreanischen Autohersteller Ssangyong in Pyongtaek wurde gestern nach 77 Tagen beendet. Nach rund einstündigen Verhandlungen zwischen einem Gewerkschaftsführer und dem Ssangyong-Insolvenzverwalter haben die Arbeiter das Werk am Donnerstagnachmittag verlassen. Die geschlossene Vereinbarung sieht vor, daß 48 Prozent der rund 1000 streikenden Arbeiter in unbezahlten Urlaub gehen, während der Rest Aufhebungsverträgen zustimmen muß. Am vergangenen Wochenende hatte das Angebot der Kapitalseite noch bei 40 Prozent Beurlaubungen gelegen. Ob das insolvente Unternehmen überhaupt noch eine Zukunft hat, ist jedoch unsicher.

Mittwoch, 5. August 2009

Gewaltsamer Arbeitskampf in Südkorea spitzt sich zu

Die Auseinandersetzung um eine besetzte Fabrik des südkoreanischen Geländewagenherstellers Ssangyong in Pyongtaek (70 km südlich von Seoul) hat sich in den letzten Tagen zugespitzt. Nach mehr als zweimonatiger Besetzung haben 2500 Polizisten am Dienstag und Mittwoch Teile der Fabrik gewaltsam gestürmt, während sich 600 Arbeiter weiterhin in dem großen Farblager des Werkes verbarrikadiert haben. Vor zwei Monaten hatten 1000 Arbeiter die Fabrik besetzt, um ihre geplante Entlassung durch die chinesische Eigentümerfirma SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation) , die 51 Prozent der Anteile hält, zu verhindern.

Berichte über die Ereignisse stehen auf der Website der FAU, auf einer Libcom-Sonderseite, im Labour Net und bei Telepolis.

Vor dem koreanischen Konsulat in Hamburg wird am Donnerstag, den 6. August, ab 14 Uhr eine Protestkundgebung zur Solidarität mit den kämpfenden ArbeiterInnen von Ssangyong stattfinden.

Dienstag, 4. August 2009

Tod eines Gespenstes oder Übernimmt China Moldawien ?

Berichte über den Tod von Gespenstern sind zumeist stark übertrieben. So auch hier. In der 4-Millionen-Einwohner-Republik Moldawien, dem ärmsten Land Europas, haben am letzten Mittwoch die regierenden Kommunisten eine Wahl verloren und deshalb mußte einer, der sich für den Außenpolitik-Chef der Süddeutschen Zeitung hält, jetzt so laut den Tod des europäischen Kommunismus "in seiner regierungsamtlichen Form" verkünden, daß er offenbar zwei Dinge übersehen hat:

- erstens, daß in Zypern noch eine Kommunistische Partei namens AKEL (Ανορθωτικό Κόμμα Εργαζόμενου Λαού) an der Macht ist und das Staatsoberhaupt stellt;

- zweitens, daß China sich gerade anschickt, Moldawien mit einem 1-Milliarden-Dollar-Kredit faktisch zu übernehmen.

Moldawien erzielt bei einem Staatshaushalt von etwa 1,5 Mrd Dollar ein Bruttoinlandsprodukt von rund 8 Mrd Dollar, wobei Rußland bereits einen ähnlichen Kredit (über 500 Mio Dollar) zugesagt hat. Falls das moldawische Parlament in einigen Monaten dem China-Deal zustimmt, stünde das Reich der Mitte also mit einem Bein am Schwarzen Meer .

Sonntag, 2. August 2009

Glossarium === Glossa, Zunge ===

GLOSSA, AE, der Erklärung bedürftiger Ausdruck, Erläuterung, Kommentar (von griechisch γλωσσα, γλωττα, Zunge, Mund, Redegabe, Zungenrede, Sprache, Mundart, Äußerung).

Ausonius, Epigrammata (Sprichworte) 127, 2: glossas tradere, von dem Lehrer und cunnilungus Eunus, der seinen noch nicht geborenen Kindern die Zunge entgegenstreckt, um ihnen im Mutterleib schwierige Wörter zu erklären. (Weiter kann der Pflichteifer nicht gehen !)

Γλωσσοκομειον, γλωσσοκόμιον (γλωττοκόμιον), το
"Flötenmundstückbehälter“ = CUNNUS. Hesychios, Etymologicon Magnum.

GLOTTISMUS, I , γλωττισμός, der Zungenkuß. Anthologia (Lyrica Graeca?) 5, 132, 6 (Philodemos von Gadara)

Quelle:

„Glossarium Eroticum“, herausgegeben von Dr. Gaston Vorberg, Verlag Müller & Kiepenheuer, Hanau Main, ohne Jahr, Seite 211 (und andere Wörterbücher)