Dienstag, 18. August 2009

Warum die Ökonomen die Finanzkrise nicht vorausgesehen haben

"Die Mehrzahl der Ökonomen (...) hütete sich, gegen den Boom im Finanzsektor zu argumentieren. Denn direkt oder indirekt leben auch sie davon bestens. Das gilt nicht nur für die Volkswirte, die bei Banken, Fonds oder Versicherungen arbeiten. Auch die an Universitäten angestellten Volkswirte, die Betriebswirte ohnehin, bemühen sich in der Mehrzahl immer, den Finanzkonzernen zu gefallen. Das gilt umso mehr, wenn die Lehrstühle von Banken mitfinanziert werden. Daß Professor Bert Rürup, der langjährige Chef des Sachverständigenrats, des wichtigsten Gremiums zur ökonomischen Politikberatung, direkt zum Finanzdienstleister AWD gewechselt ist, erklärt, warum über die von der Finanzbranche ausgehenden Gefahren geschwiegen wird.

Noch entschiedener wird die Realität von jenen verdrängt, die in Hierarchien weiter oben angesiedelt sind oder gar regulatorische Entscheidungsbefugnis haben. Sie haben die riesige Spekulationswelle verniedlicht, die erkennbare Instabilität des weltweiten Finanzgebäudes geleugnet und die unglaublich hohe Profitabilität des Finanzsektors für ein Zeichen von Gesundheit, nicht von unhaltbaren Zuständen gehalten. Unter den Notenbanken war diejenige noch am kritischsten, die keine Entscheidungsbefugnis hat, nämlich die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Aber selbst deren realistisch-düstere Analysen mündeten weder in einer eindeutigen Ursachenanalyse noch gar in einer Handlungsempfehlung für eine rigorose Kontrolle des Finanzsektors."

( = Lucas Zeise, "Wahrheit unerwünscht", in: Financial Times Deutschland, 18. August 2009. Die Kolumne Zeises, der auch in der Zeitschrift "lunapark21" regelmäßig publiziert, erscheint jeden zweiten Dienstag in der FTD. Sehr lesenswert ist sein Buch "Ende der Party. Die Explosion im Finanzsektor und die Krise der Weltwirtschaft", PapyRossa-Verlag, Köln 2008.)

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